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Januar 1992

 

Ein Neujahrs-Wunsch: Weisheit

 

Liebe Gemeinde,

es ist ungewöhnlich, dass man jemandem zum Neujahr Weisheit wünscht. Alles Gute, Gesundheit, viel Glück oder viel Freude sind uns vertraut, aber Weisheit?!

 

Als Salomo König wurde, hatte er Gott um Weisheit gebeten. "In Gibeon erschien der Herr dem Salomo nachts im Traum und forderte ihn auf: Sprich eine Bitte aus, die ich dir gewähren soll. Salomo antwortete:----Dein Knecht steht aber mitten in deinem Volk, das du erwählt hast: einem großen Volk, das man wegen seiner Menge nicht zählen und nicht schätzen kann. Verleih daher deinem Knecht ein hörendes Herz, damit er dein Volk zu regieren und das Gute vom Bösen zu unterscheiden versteht" (1 Kön 3,5-9). Gott gefiel seine Bitte, weil er sich nicht langes Leben, Reichtum oder den Tod seiner Feinde gewünscht hat, sondern Weisheit.

 

Wir sind froh und vielleicht auch stolz, dass unsere Gesellschaft uns vielerlei Angebote machen kann: bei der Ausbildung, Arbeitsmöglichkeiten, Freizeitgestaltung, Hobbies usw. Die Angebote an Lebensmittel, Haushaltswaren, Kleidern usw. sind enorm. Auch die Lebensformen und Einstellungen sind in unserer Zeit vielfältig.

Wenn früher von den Leuten eine bestimmte Lebenseinstellung verlangt wurde, und die meisten sich danach verhalten haben, ist nun die Möglichkeit der Lebensgestaltung enorm; auch im religiösen Bereich ist es nicht anders. Wenn eine bestimmte Lebensordnung vor z. B. 30 Jahren selbstverständlich war, ist es heute nicht mehr so. Die vielen Beratungsstellen zeigen, dass die meisten Schwierigkeiten haben, die richtige Entscheidung zu treffen. Nun ist man unsicher, welcher Berater der richtige ist, denn die Angebote der Beratungsstellen sind auch vielerlei.

 

Für Salomo war es wichtig, dass er das Richtige tut, darum hat er, als er die großen Aufgaben sah, um Weisheit gebeten. Auch wir wollen das Richtige tun. Unsicher werden wir vor vielen Angeboten und Möglichkeiten. Eine falsche Entscheidung in der Freizeitgestaltung ist nicht so schlimm wie eine in wichtigen Lebensbereichen wie Beruf, Berufung und Religion.

 

Auch in dem neuen Jahr 1992 müssen wir viele Entscheidungen treffen, in wichtigen und in nicht so wichtigen Dingen. Ich wünsche uns allen, dass Gott uns hilft, dass wir die Sache so sehen, wie Er sie sieht. Es gibt viele Menschen, die vor einer Entscheidung kurz beten, damit Gott sie erleuchtet, die richtige Entscheidung zu treffen. Es ist eine Gewohnheit, die auch wir alle praktizieren können. Gottes Geleit auf allen Wegen unseres Lebens auch im Neuen Jahr, wünsche ich uns allen.

George Chelappurath, Pfarrer

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Februar 1992

 

"Wir wollen dem Herrn dienen"

 

Liebe Gemeinde,

ab und zu muss ich leider die traurige Erfahrung machen, dass die Kinder, die bei der Erstkommunion alles mit Begeisterung mitgemacht haben und die noch einige Zeit ein dem Glauben entsprechendes Leben zu führen versuchten, plötzlich alles verlassen und anfangen, wie "neue Heiden" zu leben. Natürlich frage ich mich nach der Ursache. Ich hatte auch die Gelegenheit, einige konkrete Fälle genau zu analysieren. Fast ohne Ausnahme konnte ich feststellen, dass der Freundeskreis für so eine Entwicklung verantwortlich ist. Die Kinder stehen unter dem Einfluss einer Mehrheit, die mit dem Glauben an Jesus nichts zu tun hat. Bei vielen fehlt der Mut, allein etwas zu tun, vielleicht etwas, bei dem die meisten nicht mitmachen. Viele Eltern merken so eine Entwicklung kaum oder ihnen ist es gleichgültig, was die Kinder tun, so lange die Leistung in der Schule gut ist.

 

Liebe Eltern, was würden Sie Ihren Kindern sagen, wenn sie nach Hause kommen und sagen: "Warum soll ich das und jenes tun, was sonst niemand tut?" Wenn die anderen Kinder keine Christen wären, könnten die Eltern sagen: "Du bist ein Christ(in), du hast andere Pflichten als die anderen." Aber die Freunde sind alle Christen; was für eine Antwort kann dann eine Mutter oder ein Vater geben? Mindestens bis zu einem bestimmten Alter können die Eltern den Kindern helfen, anderen ein gutes Beispiel zu geben und sie zum Guten zu beeinflussen, anstatt das Gute zu verlassen, weil die anderen es nicht tun.

 

Es gibt viele Eltern, die den Kindern beistehen, damit sie das tun, was man tun sollte - auch wenn viele es nicht tun-, oder, damit sie das nicht tun, was man nicht tun darf - auch wenn viele es tun-. Gegen den Strom schwimmen ist nicht leicht, aber es könnte vielleicht nötig sein, um das Leben überhaupt zu retten.

 

Josua hatte die Israeliten zu einer Entscheidung aufgefordert: "Wenn es euch aber nicht gefällt, dem Herrn zu dienen, dann entscheidet euch heute, wem ihr dienen  wollt: den Göttern, denen eure Väter jenseits des Stroms dienten, oder den Göttern der Amoriter, in deren Land ihr wohnt. Ich aber und mein Haus, wir wollen dem Herrn dienen" (Jos 24,15).

 

Es freut mich sehr, dass es in unserer Gemeinde Eltern gibt, die sagen wie Josua: Wir wollen dem Herrn dienen, auch wenn einige in unserer Nachbarschaft es nicht tun. Wie schön wäre es, wenn mehr Familien dies sagen könnten.

Es grüßt Sie

George chelappurath, Pfarrer

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April 1992

 

Kinderheim in Margarita-Belen

 

Liebe Gemeinde,

sind wir machtlos gegen die Armut in der Welt? Wenn wir die Nachrichten und Sonderberichte hören, bekommen wir den Eindruck, dass wir dagegen nicht viel tun können, denn das Problem ist zu groß. Einige Leute aus unserer Gemeinde und auch von anderen haben in den letzten 9 Jahren gezeigt, dass man doch gegen die Armut etwas tun kann.

 

Im letzten Februar hatte ich die Gelegenheit, ein Kinderheim in Margarita-Belen, Argentinien kennen zu lernen, welches unsere Gemeinde seit 1983 unterstützt. Das einfach, für dortige Verhältnisse, und nur nach Bedarf gebaute Haus ist nun Hoffnungsträger für über 200 Kinder. Sie kommen aus der Umgebung, leben meistens in Hütten, ihre Eltern haben keine oder nur gelegentlich Arbeit. Die Kinder, die sonst nicht wüssten, wohin sie gehen oder was sie tun sollten, außer auf der Straße herumzulaufen, haben nun ein Zuhause und Ausbildungsmöglichkeiten. Die Kinder kriegen dort gutes Essen, Nachhilfe beim Lernen, Dusch- und Waschgelegenheiten, Ausbildung in Haushalts- und Gartenarbeit. Herr Pater Fyrnys, mit der Unterstützung von vier spanischen Schwestern, bietet diesen Kindern ein Zuhause.

 

Dieses Haus ist nicht aus der Planung von Entwicklungsexperten entstanden, sondern von sieben Bekannten und Freunden von Herrn Pater Fyrnys, die zufällig erfahren hatten, dass viele Kinder dort ohne Zuhause herumlaufen. Als sie das hörten, dachten sie nach, was sie für diese Kinder tun können.

Angefangen in kleinen Schritten, die auch von anderen unterstützt wurden, funktioniert dieses Kinderheim nun beispielhaft als eine gute Einrichtung für die Armen. Die Bekannten von Pater Fyrnys haben sich nicht von der Größe des Problems beängstigen lassen, sie haben einen Teil des Problems gesehen und es bewältigt.

 

Gegen die Armut aller Menschen in der ganzen Welt können wir nicht viel tun, aber gegen die Armut von ein paar Leuten können wir doch etwas tun. Eine Mahlzeit für ein hungerndes Kind, ein paar Tabletten für einen Kranken, ein paar Mark für die Notleidenden - das können wir geben. Ausreden, wie z. B. dass sie selber daran schuld sind, dass sie nicht in der Lage sind, das Geld richtig zu benutzen, sind nur Ausreden. Niemand will sein Geld für die Verwaltung der Hilfsorganisationen geben; aber ohne Verwaltung und Verwaltungskosten können die großen Hilfsorganisationen nicht bestehen, das sollten wir auch einsehen. Es geht nicht um Ausreden, sondern um die Bereitschaft, mindestens einem Waisenkind, einem Kranken, einem Arbeitslosen zu helfen - mit ein paar Mark, wenn möglich regelmäßig, monatlich oder vierteljährlich, für die Armen - so können wir doch helfen. Sind wir als Christen dazu nicht verpflichtet?

Es grüßt Sie

George chelappurath, Pfarrer

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Mai 1992

 

Beruf und Berufung

 

"Warum heiratet Ihr nicht?"

         "Nein, jetzt kann ich nicht, ich muss weiter studieren."

"Ist das Studium so wichtig, dass man wegen des Studiums die Gründung einer Familie einfach unendlich verschieben sollte?"

         "Nein, aber ich muss einen anständigen Beruf haben. Man muss

         ja genug Geld haben, um in der heutigen Gesellschaft einigermaßen in     Ordnung leben zu können."

"Ja, Ja, ich weiß, es geht nicht nur um Geld, es geht um Stellung in der Gesellschaft, Karriere und Selbständigkeit."

**********

"Jetzt sollten Sie kein Kind kriegen, wenn Sie nun ein Kind bekommen, dann ist alles aus mit dem Beruf?"

         "Bitte denk an die Karriere, die Möglichkeit, hoch zu kommen

         im Beruf: Du kannst nicht alles kaputt machen"

"Doch Du kannst schon warten, Du bist ganz jung."

         "Sind ein paar Pfennig oder die Karriere wichtiger als Kinder?"

**********

"Jetzt müssen wir umziehen"

         "Warum?"

"Der Chef hat mir eine neue Stelle als Betriebsleiter in der neuen Niederlassung angeboten. Da kann ich viel mehr verdienen."

         "Was ist mit unserem Haus?"

"Das können wir verkaufen oder vermieten; Hauptsache, dass ich hoch komme."

         "Unsere Kinder und ihre Freunde, ich und meine Nachbarn?

         Das Leben, das wir hier im Ort aufgebaut haben? Ist mehr

         Geld und Dein Hochkommen viel wichtiger als alles andere?

         Wir haben Doch genug Geld!"

"Wer hat genug?"

Liebe Gemeinde,

solche und ähnliche Gespräche und Bemerkungen hört man öfters. Es geht  um Karriere und Wohlstand. Mehr Geld, wichtige Stellung  in der  Gesellschaft, bequemes Leben werden  überall  hochgepriesen, dafür gibt es auch genug Vorschläge und fast alle Reklamen  gehen in dieser Richtung. Wenn einige Leute von Kindern sprechen,  dann nur,  weil sie Zukunftsarbeitskraft und dadurch  Steuer-  und Rentenzahler  sind.  Lohnt es sich, für Beruf und  Karriere,  für Geld  und  Wohlstand  ein  Leben zu führen? Gibt  es  nicht  viel Wichtigeres im Leben?

 

Von Berufung ist heutzutage kaum zu hören. Auch die Kirche  redet nicht viel davon. Jeder Mensch hat eine Aufgabe, eine Stellung in dieser Welt, die von Gott aus geht, die wir Berufung nennen.  Wie soll  ich leben, was für eine Aufgabe habe ich in der Welt,  wozu lebe  ich? Da kann man die Antwort nur bei Gott finden.  Für  den Chef in den Fabriken oder Büros geht es nur um eine  zuverlässige Arbeitskraft. Was einem im Privatleben passieren könnte, wie sein Leben  nach einigen Jahren aussehen werde, interessiert den  Chef kaum. Anreizende Angebote und Prämien werden präsentiert, um  die Arbeitskraft  zu  behalten.  Aber man sollte  den  Mut  besitzen,  "Nein" zu sagen, wenn etwas gegen das Familienleben kommen  sollte.  Nicht  nur die vielen Beratungen von  Fachexperten,  sondern auch ein Gespräch mit Gott, ein Gebet, eine Frage an Gott, was Er von  uns  will, müssen auch ein entscheidender  Faktor  sein  für unsere  Entscheidungen. "Was nützt es einem, wenn man alles  hat, aber  das Leben verliert, (nicht nur nach dem Tod,  sondern  hier auf der Erde), nichts vom Leben hat?"

Es grüßt Sie

George chelappurath, Pfarrer

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Juni 1992

 

Gottes Vorsehung

 

Liebe Gemeinde,

die Eltern wissen es, was damit gemeint ist, wenn ihr Kind  sagt: Ich  schaffe es allein, z. B. in die Schule zu gehen. Sie  wissen aber,  dass  die  Selbständigkeit sehr klein ist.  Wenn  das  Kind denkt,  dass  es  sich selber anziehen kann,  bedeutet  es  nichts anderes  als,  dass  es die Kleider aus dem  Schrank  holen  kann, welche die Eltern gekauft, gewaschen, gebügelt und in den Schrank gelegt haben. "Ich mache mein Frühstück selber", wird  verwirklicht, nur wenn die Eltern alles gekauft und in den Schränken untergebracht  haben. Viel anders ist es auch nicht bei den  Erwachsenen,  wenn  sie sagen z. B. "Wir haben selber gebaut",  denn  der Mann  hat vielleicht das Grundstück geerbt und die Frau ein  paar Tausend Mark von den Eltern bekommen.

 

Stolz  sind  wir Menschen, wenn wir selbständig sein  können.  Wo sind  wir  aber  selbständig? Am Arbeitsplatz?  In  der  Familie? Wie viel sind wir von anderen Menschen abhängig, um nur einen  Tag leben  zu können? Wie abhängig sind wir nur für ein  Stück  Brot? Was schaffen wir wirklich allein? Fahren wir auf den Straßen, die wir  selber gebaut haben, oder wofür wir bezahlt  haben?  Trinken wir Wasser, das wir Menschen produziert haben? Wie ist es mit der Luft,  die  wir  atmen? Was ist unsere Leistung  für  die  schöne Landschaft, die wir gerne ansehen?

 

Gedankenlos sollten wir nicht leben. Wir sollten nicht vergessen, dass  wir Vieles allein erreichen, weil Gott die  dazu  notwendige Voraussetzung  geschaffen hat. Wer das verstehen kann, kann  Gott dafür danken, kann Gott um sein weiteres Dasein und Hilfe für die Zukunft bitten, kann der Anweisung Gottes folgen, ohne zu denken, dass  sie uns unsere Freiheit raubt. Religion ist für die  Menschen, die  logisch denken können, die einen Überblick vom ganzen  Leben haben.

Es grüßt Sie

George chelappurath, Pfarrer

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Juli 1992

 

Die Frage "Warum?"

 

Liebe Gemeinde,

etwa  so  verlief  ein Gespräch zwischen einem  Bauern  und  einem Passanten:

"Warum pflanzest du Kartoffeln?"

"Damit ich essen kann?"

"Warum musst du Kartoffeln essen?"

"Damit ich Kraft kriege, um arbeiten zu können?"

"Was willst du arbeiten?"

"Ich möchte Kartoffeln pflanzen?"

Man  hat nur Mitleid, wenn das Leben nur ein Kreis von  pflanzen, Essen und wieder pflanzen wäre.

 

Können wir uns andere, ähnliche Gespräche vorstellen?

"Warum braucht ihr noch ein zweites Auto?"

"Damit auch ich arbeiten kann."

"Warum musst du arbeiten?"

"Ohne  meinen Verdienst können wir uns das zweite Auto  nicht  leisten."

oder

"Warum gehst du in Urlaub?"

"Damit ich mich gut erholen kann?"

"Warum brauchst du Erholung?"

"Damit ich fit bin, wieder arbeiten zu können."

"Warum arbeitest du?"

"Damit ich Geld kriege, um nächstes Jahr wieder in Urlaub  fahren zu können."

 

Ich  weiß,  dass diese Gespräche nicht ganz stimmen. Aber  dass  so etwas  sein könnte, können wir uns vorstellen. Viele  wollen  die Frage  "Warum?"  nicht stellen. Es interessiert  nur  die  Frage "Wie"? Wie kann ich dies und jenes erledigen?

 

Wenn  ein  "Wie?" unser Leben schwer machen sollte,  sollten  wir, bevor  wir weiter versuchen, die Frage "Warum?" stellen. "Muss  es unbedingt  sein?"  Eine  ehrliche Antwort auf  diese  Frage  kann vielleicht  das Leben in der Familie, am Arbeitsplatz und in  der Gemeinde schöner und friedlicher machen. In dem kommenden  Urlaub oder  der  Ferienzeit wünsche ich uns allen genug  Zeit,  einfach nachzudenken, über unser Leben nachzudenken.  Ist unser Leben nur die Zusammenfassung von Arbeit und Urlaub? Was alles könnte unser Leben noch lebenswerter machen?  Wo müssen wir "Ja" sagen, und wo hilft uns ein "Nein" besser?

Es grüßt Sie

George chelappurath, Pfarrer

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September 1992

 

Der Affe ohne Schwanz

 

"Einem  Affen erging es einmal so: er spielte in einem  Sägewerk. Die Arbeiter waren zur Mittagspause gegangen und hatten einen zur Hälfte durchgesägten Holzstamm, in dem noch ein Keil, welcher zur besseren  Durchsägung diente, steckte, liegengelassen.  Der  Affe setzte  sich nun ganz frech auf diesen Holzstamm und spielte  mit dem Keil. Plötzlich hielt er ihn in der Hand. Aber das Schlimmste dabei war, dass der Affe beim Sitzen versehentlich seinen  Schwanz zwischen die Holzteile gebracht hatte. Als nun diese Teile  durch die  Entziehung  des Keiles zusammendrückt wurden,  drückten  sie natürlich  auch  den  Schwanz des Affen  ab.  Traurig  über  sein Schicksal ging unser Affe weg. Er schämte sich fürchterlich,  nun ohne Schwanz mit den anderen Affen zusammentreffen zu müssen.  Er versteckte  sich  einige Tage und überlegte, was er  tun  könnte. Plötzlich ging ihm ein Licht auf: alle anderen Affen sollten auch ihren  Schwanz abschneiden. So berief er eine  Versammlung  aller Affen  ein. Als alle beisammen waren, waren sie natürlich  schockiert  über das, was sie sahen. Aber unser Affe stellte  sich  in die  Mitte  und  erklärte den anderen, wie  schön  es  ist,  ohne Schwanz  zu leben: kein Hindernis beim Klettern,  kein  Hindernis beim  Sitzen  usw. Selbstverständlich hatte er keine  Silbe  über seinen Unfall erzählt. Er stellte die ganze Sache so hin, als  ob ihm dies alles selbst eingefallen wäre." Wie ging diese Geschichte  weiter? Haben die Affen ihn ausgelacht, oder sind sie  seinem Vorschlag gefolgt?

 

Liebe Gemeinde,

in letzter Zeit - wenn ich die Nachrichten höre, oder die  Zeitung lese-  erinnere ich mich an diese Geschichte vom Affen.  Es  gibt viele  über  Jahrtausende hinaus bewährte Werte in  der  Ehe  und Familie. Auch in der Kirche gibt es Sitten und Gebräuche, Ordnungen  und  Anweisungen,  die vielen Menschen  geholfen  haben  und helfen  werden, ein friedliches und fröhliches Leben  zu  führen. Traurig  und enttäuscht sind aber einige Mit-Menschen, welche  in ihrem  Leben nicht dieses Niveau erreichen konnten. Aber was  tun sie?  Sie kommen in die Gesellschaft und propagieren ihr  fehlerhaftes  oder mangelhaftes Leben als eine neue Lebensform,  welche andere  auch  akzeptieren  sollen. Wer dazu noch  in  den  Medien Einfluß hat, kann sein Verhalten noch besser an den Tag  bringen. -  Muss  ich krank sein, weil viele Menschen  in  meiner  Umgebung krank sind? Muss ich eine Sozialwohnung suchen, weil die Zahl  der Sozialhilfeempfänger ständig wächst? Muss ich auch aus der  Kirche austreten,  nur weil einige die Bedeutung der Kirche  nicht  verstanden  haben?  - Es gibt Ideale im Leben,  wonach  wir  streben sollten.  Dass einige nicht in der Lage sind, das Ziel  zu  erreichen,  bedeutet nicht, dass wir das Ziel aus den  Augen  verlieren sollten.  Welchen Ratschlägen sollen wir folgen: die  derer,  die das  Leben  gemeistert haben, oder die derer, die  im  Leben  das Wichtigste verloren haben?

Können  wir nicht zumindest uns und unsere Familien  vor  solchen Irrwegen retten?

Es grüßt Sie

George chelappurath, Pfarrer

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Oktober 1992

 

"Armer  dummer  Mann"

 

Liebe Gemeinde,

vielleicht  kennen Sie die folgende Geschichte von  Leo  Tolstoj, dem  russischen Dichter? Sie erzählt von einem armen Bauern,  der nicht einmal das Nötigste zum Leben hatte. Arbeit hatte er genug, aber trotzdem konnte er seine Familie nicht ausreichend ernähren. Eines Tages lud ein Großgrundbesitzer ihn zu sich ein. Er bot dem armen  Bauern an, soviel Land sein Eigen zu nennen, soviel er  an einem Tag umschreiten konnte. Bei Sonnenaufgang sollte er losmarschieren und dann bei Sonnenuntergang wieder an der Stelle  sein, an der er losgegangen war. Überglücklich ging der arme Bauer nach Hause. In der darauf folgenden Nacht konnte er kaum schlafen. Ganz früh  machte er sich auf um sein Grundstück in Besitz zu  nehmen. Ruhig  ging er die ganze Sache an, denn er war  der  Überzeugung, dass  er nicht den ganzen Tag brauche, um das für ihn nötige  Land zu  umschreiten.  Aber plötzlich ging ihm ein  Licht  auf:  Warum sollte er nicht möglichst viel Land in Besitz nehmen, damit nicht nur  sein Leben, sondern auch das seiner Kinder  und  Enkelkinder gesichert  sei?  Gedacht  - getan. Sein Kreis  wurde  größer  und größer - möglichst viel wollte er haben! Ab und zu dachte er auch an seine Rückkehr, aber - er war noch nicht zufrieden.  Kraftvoll ging er weiter und weiter, bis er auf einmal spürte, dass er  müde wurde.  Die Sonne stand auch nicht mehr hoch am Himmel; sie  ging schon  langsam  unter. Unser Bauer machte sich auf  den  Rückweg. "Ich bin bald ein reicher Mann" - dieser Gedanke gab ihm Antrieb. Er lief, er sprang - er hatte es geschafft; er war am Ziel in dem Moment,  als  gerade die Sonne unterging. Aber -  bevor  er  sein neuerworbenes  Land  überhaupt sehen konnte, brach  er  erschöpft zusammen und starb. Er strengte sich mehr an, als sein Körper ihm erlaubte.  Das  Land, das er nun brauchte, war nur  so  groß,  um seinen Sarg zu beherbergen.

 

"Armer  dummer  Mann" - so werden wir den Bauern in  dieser  Geschichte bezeichnen. Wäre er mit etwas weniger zufrieden gewesen, so hätte er dieses auch nützen können. Nun hat er so viel,  und er kann es gar nicht gebrauchen. Armer dummer Bauer! 

-Wie  werden  unsere  Nachbarn uns bezeichnen?  Auch  wir  kennen Leute, welche genauso dumm sind, wie der Bauer in der Geschichte. Sie wollen immer und immer mehr haben. Wie bei unserem Bauern war am  Anfang  eine gute Arbeitsstelle, ein kleines Haus  oder  eine eigene  Wohnung  ihr Ziel. Aber dann begann der  Wunsch  sich  zu regen:  ich muss mehr besitzen, ich brauche mehr. Jeder hat  seine Argumente:  das  Leben wird teurer; die Ansprüche höher  und  das Geld  reicht  nicht. Und - man muss ja auch für  das  Alter  etwas übrig haben!

 

Man  sollte seine Möglichkeiten und Fähigkeiten nicht  überschätzen. Lieber mit etwas weniger zufrieden sein, als alles erreichen  zu  wollen;  und dann nicht mehr in der Lage  zu  sein,  es körperlich oder geistig zu gebrauchen! Bei der Beerdigung  werden wir  vielleicht  für unseren Besitz und unsere  Leistung  gelobt, aber  tief  im  Innern  wird  von  uns  gesagt:  arme/r,  dumme/r Frau/Mann!

Es grüßt Sie

George chelappurath, Pfarrer

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November 1992

 

Mit Hoffnung Leben

 

Liebe Gemeinde,

die  Kinder möchten möglichst schnell erwachsen werden,  die  Jugendlichen warten ungeduldig auf die Zeit, wo sie nicht mehr  von den  Erwachsenen  abhängig sind; möglichst bald  möchten  sie  so leben wie sie. Aber - wenn man dann erwachsen ist, hat man  Angst vor  dem  Älterwerden,  vor dem Alter. Auch wenn  man  mit  allen möglichen Kosmetikartikeln versucht, die Erscheinungen des Alters zu  verstecken,  spürt man doch körperlich und  geistig,  dass  es nicht mehr so ist wie früher. Viele Menschen haben es schwer, mit dem Alt-Werden fertig zu werden. Sie denken, dass alles nun  langsam zu Ende geht.

 

Die kommenden Feste Allerheiligen und Allerseelen verkünden  uns, dass  wir vom Leben noch viel zu erwarten haben. Wir  glauben,  dass unsere  Zeit nicht langsam zu Ende geht, sondern, dass wir  gerade angefangen  haben zu leben, auch wenn wir 90 oder 100  Jahre  alt sind.

 

Alt werden alle Menschen gleich! Aber alle werden es nicht gleich erfassen. Einige sind enttäuscht und traurig, dass sie nicht  mehr so leben können wie früher. Wenn Reisen und Feiern das Wichtigste in  ihrem  Leben war, dann ist am Ende ihres  Lebens  nicht  viel übrig.  Aber  wenn man mit der Hoffnung gelebt hat, dass  wir  ein ewiges  Leben  haben und dementsprechend unsere  Mitmenschen  betrachteten, dann bleibt Erfüllung, Freude und Hoffnung übrig.

 

Wo wir leben werden, wie es uns dann geht, wer alles bei uns sein wird,  wie gesund oder krank wir sein werden wenn wir  alt  sind, können  wir nicht voraussehen. Aber welche Einstellung  wir  dann haben werden, können wir schon jetzt bestimmen. Wir müssen selber entscheiden:  Wollen  wir so sein wie jene, die  immer  noch  ihr Alter  verbergen  und um das Vergangene trauern, weil  sie  nicht mehr so können wie früher, oder wollen wir so sein wie die  anderen, die mit Freude und Erfüllung zurückblicken und mit  Hoffnung nach vorne schauen?

 

Ich  wünsche uns allen, dass wir am Ende unseres Lebens so  denken und fühlen können, wie der Apostel Paulus:

"Ich habe den guten Kampf gekämpft, den Lauf vollendet, die Treue gehalten. Schon jetzt liegt für mich der Kranz der  Gerechtigkeit bereit,  den  mir der Herr, der gerechte Richter,  an  jenem  Tag geben  wird, aber nicht nur mir, sondern allen,  die  sehnsüchtig auf sein Erscheinen warten."

Es grüßt Sie

George chelappurath, Pfarrer

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Dezember 1992

 

Ein  Weihnachtsgeschenk

 

Liebe Gemeinde,

ein  Weihnachtsgeschenk dürfen wir dieses Jahr vom  Hl.  Nikolaus empfangen: am 06. Dezember wird unser Gemeindezentrum eingeweiht. Mit Ihnen freue ich mich, dass es uns gelungen ist, Räumlichkeiten für  außergottesdienstliche Veranstaltungen zu  schaffen.  Obwohl über die Standorte viel gesprochen wurde, sind wir doch froh, dass wir die Räume bei den Kirchen haben, denn unsere  Veranstaltungen haben fast alle im Zusammenhang mit den Gottesdiensten zu tun.

 

Als erstes möchte ich allen ganz herzlich danken, die mitgeholfen haben, dieses Haus zu bauen. Ich weiß, viele haben wirklich  viel geleistet.  Obwohl  ich den Dank hier nur  allgemein  aussprechen kann -eine Auflistung wäre nicht möglich-, sehe ich jede  Person, die bei der Arbeit geholfen hat, einzeln vor mir, wenn ich  sage: "Vergelt's Gott"!

 

Als kirchliche Einrichtungen haben wir in unserer Gemeinde nun  2 Kirchen,  1  Pfarrhaus,  ein Gemeindezentrum und  Räume  bei  der Lioba- und der Pankratius-Kirche (wird in wenigen Monaten  fertig sein).  Ich habe noch ein großes Anliegen, das ich in Form  einer Bitte aussprechen möchte: Niemand (weder einzelne Personen,  noch bestimmte  Gruppen, noch bestimmte Familien) niemand aus  unserer Gemeinde  sollte sagen, dies und jenes gehört uns und das  andere gehört euch. Als Orientierung kann man sagen hier und dort,  aber es  sollte  keine Trennungsbezeichnung sein. Ein  konkretes  Beispiel:  Niemand  sollte  sagen: unser Haus ist  fertig  -  eueres befindet  sich im Bau. Es sollte für uns möglich sein  zu  sagen: Eines  unserer Häuser ist fertig und unser zweites befindet  sich im  Bau.  Alles  gehört uns, uns allen  gleich!  Die  historische Entwicklung  unserer  Gemeinde hat dazu beigetragen,  dass  unsere Gebäude nicht auf einem Grundstück stehen. Aber - die Zusammenarbeit sollte von Herzen kommen und nicht vom Standort der  Gebäude aus. Wenn man streiten möchte, so kann man das tun, auch in einem Haus;  aber  wenn man lieben möchte kann man das tun,  auch  über Entfernungen hinweg. Logisches Denken ist nun von uns gefordert.

 

Mit der Einweihung unseres Gemeindehauses am 06. Dezember ist die Arbeit  noch nicht beendet, auch nicht wenn  der  Pankratius-Raum fertig  ist.  Wir haben nur die Voraussetzungen  geschaffen,  die wirklichen Arbeiten beginnen jetzt. Wir wollen nicht  übertreiben und  Illusionen sollten wir auch nicht haben; aber mit der  Hilfe Gottes werden wir versuchen, den Leuten gemütliche und informative Stunden anzubieten.

Eine besinnliche Adventszeit und ein gesegnetes Weihnachtsfest wünscht Ihnen

Ihr George Chelappurath, Pfarrer

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