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Januar 2003

 

"Kopf programmieren"

Liebe Gemeinde,

vor einigen Tagen kam ein Mann zu mir ins Pfarrbüro, um mit mir  über die Probleme in seiner Familie zu sprechen. Ein Punkt, den er mir sagte, hat mich beeindruckt und nachdenklich gemacht. Er sagte mir nämlich: "Ich muss meinen Kopf programmieren"! Zuerst habe ich nicht verstanden, was er damit sagen wollte, obwohl mir dieser Ausdruck "programmieren" aus vielen Computer-Programmen bekannt ist. Er sagte weiter, dass er alles durchdenken muss, damit er, wenn eine bestimmte Situation kommt, die richtige Antwort geben kann. Den "Kopf programmieren", damit nur das rauskommt, was man sagen darf und nichts anderes? Damit kein unüberlegtes Wort aus dem Mund hinausgeht? Damit niemand verletzt wird? Nichts gesagt wird, was man später nicht mehr rückgängig machen kann?

 

Den "Kopf programmieren" - das tun eigentlich alle Menschen, die Frage ist nur, in welche Richtung. Einige haben ihn so programmiert, dass sie nur verletzende Worte sagen können; andere wiederum haben ihre Sinne so programmiert, dass sie nur das Schlechte in anderen Menschen sehen. Von den Computer-Programmen weiß man, dass ein Programm nur das tut - egal wie umfangreich und gut es ist- wozu es eingerichtet ist. Aus einem Menschen kommt nur das, wozu er erzogen wurde. "Von innen, aus dem Herzen der Menschen, kommen die bösen Gedanken, Unzucht, Diebstahl, Mord, Ehebruch, Habgier, Bosheit, Hinterlist, Ausschweifung, Neid, Verleumdung, Hochmut und Unvernunft" (Mk 7,21).

 

Als Gott uns Menschen erschaffen hat, hat er in und für uns einiges festgelegt - Fähigkeiten und Aufgaben. Einen gewissen Spielraum hat jeder; ein bisschen umprogrammieren, ein bisschen einstellen, ein bisschen hin und her, aber eine grundlegende Änderung, die ist von Gott aus nicht vorgesehen, und wenn wir dies tun, dann machen wir unser Leben kaputt. Wie ein Computer abstürzt, weil die Programme, die gleichzeitig laufen, sich gegenseitig nicht vertragen, weil sie "unkompatibel" sind oder weil der Computer überfordert ist, so kann auch bei uns ein "Absturz" vorkommen, denn wir sind von Geburt aus für bestimmte Lebensstile vorprogrammiert, unser Körper, unsere Sinne und wenn wir etwas anderes als diese Grundeinstellungen haben möchten, dann kann sein, dass einiges für einige Zeit funktioniert, aber dann eines Tages zusammenbricht. Wenn wir nicht wissen, wo unsere Grenzen sind, dann kann alles zusammenbrechen, in bestimmten Fällen "unreparabel". Wie oft macht man Geräte kaputt, weil man seine Kapazitäten überschätzt.

 

Wichtig ist, dass wir früh genug erfahren, wozu wir bestimmt sind, wo die Grenzen sind, die uns gesetzt sind. Woher sollen wir das wissen? Wo gibt es ein Handbuch für unser Leben, eine Gebrauchsanweisung? Die Bibel? Oder haben wir ein anderes Buch mit Gebrauchsanweisungen für unser Leben? Das nun beginnende Jahr 2003 ist das Jahr der Bibel. Versuchen wir in diesem Jahr mehr darin zu lesen, damit wir wissen, wer wir sind, welche Fähigkeiten wir besitzen, welches Ziel uns gesetzt ist und wo unsere Grenzen liegen. Auch unsere Kinder und Enkelkinder sollten diese Bibel kennen lernen, die Botschaften, die darin vorkommen, begreifen, damit sie auf das Leben vorbereitet sind. "Den Kopf programmieren, unsere Sinne programmieren, unser Leben einstellen" - aber nach der Botschaft der Bibel. Ein Jahr, das geleitet wird von der Botschaft der Bibel und Gottes Segen auf all unseren Wegen in diesem neuen Jahr 2003, das wünsche ich uns allen. 

George Chelappurath, Pfarrer

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Februar 2003

 

Unterschied zwischen Gefirmten und Nichtgefirmten

 

Liebe Gemeinde,

Was ist der Unterschied zwischen Gefirmten und Nichtgefirmten? Als diese Frage in der ersten Gruppenstunde gestellt wurde, wurden die Firmbewerberinnen und -bewerber nachdenklich. "Ihr kennt Jugendliche in eurem Alter, die schon gefirmt sind und welche, die nicht. Bemerkt ihr überhaupt einen Unterschied, wenn ihr ihr Leben betrachtet?" Für die Jugendlichen, die von sich aus logisch denken, war diese Frage interessant, denn sie fragten: Wenn es keinen Unterschied gibt, warum muss ich dann zur Firmung gehen? Die Antworten, die einige von ihren Eltern als Begründung mitbekommen hatten, nämlich: es gehört einfach dazu; du bist getauft, du gingst zur Erstkommunion, nun musst du auch gefirmt werden; in unserer Familie sind alle gefirmt usw. haben die Jugendlichen nur zu weiteren Fragen angeregt: "Warum soll ich dann Christ bleiben? Was ist der Unterschied zwischen Christen und Nicht-Christen? Woran erkenne ich, dass die Mitglieder meiner Familie Christen sind?" Als es darum ging, dass sie von niemandem eine Antwort bekommen würden, sondern sie selber eine Antwort finden mussten, aber diese Antwort nicht für eine Prüfung oder einen Test, sondern für ihr Leben finden mussten, war ihr Interesse daran groß. Sie waren bereit, das Leben der Menschen, die sie als gläubig kennen, zu analysieren, unter die Lupe zu nehmen und selber festzustellen, was sie bei ihnen als Besonderheit entdecken. Die Eintragung auf dem Standesamt als Christen, oder die Taufdaten im Stammbuch - das war für sie zuwenig. Dass gläubige Menschen Lebensfreude haben, Gelassenheit bewahren können, Kraft haben, Schicksale wie Krankheit oder Verlust von lieben Menschen in Ruhe anzunehmen, das waren einige Merkmale, welche die Jugendlichen selber feststellen konnten. Auf die Frage, ob sie selber diese Lebensfreude, diese Zufriedenheit, diese Gelassenheit haben möchten...

 

57 Jugendliche aus unserer Gemeinde empfangen am 1. Februar das Sakrament der Firmung. Ich hatte die Möglichkeit, alle diese Jugendlichen kennen zu lernen. Schön war es, fünf oder sechs Jahre nach der Erstkommunion wieder mit ihnen in Kontakt zu kommen und zu beobachten, wie sie sich entwickelt haben, nicht alle in die gleiche Richtung, aber alle zeigen, wohin ihre Persönlichkeitsentfaltung läuft, wie sie langsam unabhängig und selbständig werden. Viele pflegen ein Gebetsleben, auch wenn wenige in ihrem Bekanntenkreis dies tun. Schön war es, zu beobachten, dass viele Eltern ihren Kindern beigebracht haben, dass sie eher versuchen sollten, Respekt von anderen zu gewinnen als Aufmerksamkeit. Um Aufmerksamkeit von anderen zu gewinnen, braucht man nur etwas anders sein als die anderen, so z.B. auffallende Kleidung tragen oder eine andere Frisur. Aber um Respekt zu gewinnen, muss man ein anständiges Leben führen.  Unsinn wollten viele treiben, aber sie wussten auch, wo ihre Grenzen sind. Wenn es darum ging, anderen weh zu tun, wollten viele nicht mitmachen. Auch dieses Mal traf ich Jugendliche, die von sich sagen konnten, dass ihre Eltern sich freuen, wenn sie nach Hause kommen; die Lehrer, wenn sie in die Schule kommen und die Nachbarn, wenn sie sie sehen - aber es gab auch solche, die zugeben mussten, dass ihre Eltern froh sind, wenn sie nicht zuhause sind. Viele waren der Überzeugung, dass, um etwas kaputt zu machen, man keine besonderen Fähigkeiten und Talente besitzen muss, aber um etwas aufzubauen - dafür muss man sich anstrengen: Jeder Dummkopf kann ein Haus zerstören, aber um eines aufzubauen, dazu benötigt man Fachwissen und Geld. Es ist schön zu beobachten, dass fast alle unter ihnen eher am Aufbau als an der Zerstörung interessiert sind. 

 

Einige Eltern haben mir gesagt, dass ihre Kinder ihnen nicht mehr folgen, dass sie keinen Einfluss mehr auf sie haben. Es ist selbstverständlich, dass ihre Einfluss immer weniger wird, aber es ist auch wahr, dass  die Erziehungsberechtigten ihren Einfluss - als sie noch Einfluss hatten - nicht wahrgenommen haben. Anstatt ihre Kinder für Gott zu begeistern, haben sie sie lieber für Freizeitveranstaltungen motiviert. Anstatt sie z.B. bei einer Geburtstagsfeier zu entschuldigen, haben sie sie lieber vom Gottesdienst entschuldigt. Es kann sein, dass einige ihren Einfluss verloren haben und dass es jetzt zu spät ist, die Jugendlichen für Gott zu begeistern. Darf ich die Firmung in unserer Gemeinde zum Anlass nehmen, die Eltern zu bitten, solange sie noch Einfluss haben, ihre Kindern für ein religiöses Leben zu motivieren. "Eine junge Pflanze kann man biegen, aber einen Baum nicht. Eine Nuss kann man in der Hosentasche tragen, aber einen Nussbaum nicht."

Es grüßt sie  

George Chelappurath, Pfarrer

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März 2003

 

Stau bist du!

Liebe Gemeinde,

der Pfarrer kommt in die Sakristei und sagt zu dem Mesner: "Heute werden ganz wenige da sein, denn wenn es so schneit und so glatt ist, dann wird kaum jemand aus dem Haus gehen wollen. Na ja, man kann nichts machen". Eine Woche später die gleiche Szene: "Wenn es so regnet, wie kann man dann aus dem Haus gehen. Heute werden wir keine volle Kirche haben". So ging es ein paar Wochen, dann kam ein Frühlings-Sonntag. Die Sonne schien, man konnte "frische Luft" schnappen. Kurz vor dem Gottesdienst bemerkte der Mesner: "Wenn so ein schönes Wetter ist, dann können wir nicht damit rechnen, dass die Leute in die Kirche kommen. Heute werden sie Ausflüge machen und evtl. die überfälligen Besuche nachholen." Wieder gingen die Wochen ins Land und es wurde Sommer: "Bei dieser Hitze, da bleibt man lieber in den "vier Wänden" oder kühlt sich im Freibad ab". Es waren Schulferien und nun konnte man getrost sagen: "In den Ferien ist sowieso nicht viel los, da möchte man tun, was man sonst nicht tun kann: reisen, den Hobbys nachgehen usw." An einem anderen Sonntag konnten die Kinder ihre Eltern sagen hören: "Am kommenden Sonntag haben wir nichts vor, wir laden die Tante zu uns ein und verbringen einen gemütlichen Tag." Mit der Tante, die auch eine Christin ist, zu einem Gottesdienst gehen?

 

Vielleicht werden Sie nun fragen: Wann ist die Zeit günstig für Besinnung, Gebete und Gottesdienste? Ist die Wetterlage draußen maßgebend oder die innere Stimmung und Einstellung? Irgendwo habe ich auf einer Ansichtskarte gelesen: Die Entfernung von der Wohnung zur Kirche ist nicht das Entscheidende, sondern die Entfernung vom Herzen zu Gott! Dem können wir zustimmen, denn wenn etwas im Herzen eingepflanzt ist, dann ist keine Entfernung zu weit. Wenn es um die Erfüllung von Herzensanliegen geht, dann ist kein Wetter zu schlecht. Wie oft ist man stundenlang unterwegs, von Geschäft zu Geschäft, bis man das bestimmte Kleidungsstück mit den Lieblingsfarben entdeckt hat, oder das gewünschte Möbelstück mit den richtigen Maßen? Selten ist die Entfernung zu einem Lokal, in dem es gutes Essen preisgünstig gibt, zu weit. Oder, welche Erfahrung haben Sie gemacht?

 

In wenigen Tagen beginnt die Fastenzeit. Was andere Religionen in ihrer Fastenzeit tun, das wissen wir. Wissen wir aber, wie wichtig diese Fastenzeit für uns ist? "Umkehr" steht im Mittelpunkt dieser Zeit. "Bedenke, Mensch, dass du Staub bist und wieder zu Staub zurückkehren wirst" sagt der Priester zu jedem Gottesdienstbesucher, dem er am Aschermittwoch mit der Asche auf die Stirn das Kreuzzeichen macht. "Bedenke" - darum geht es! Bedenken, woher wir kommen; bedenken, wohin wir gehen, was wir zu erreichen haben, in den nächsten paar Jahren und dann am Ende unseres Lebens! Bedenke, was für dich wichtig ist und was nicht so wichtig. Bedenke, wie du mit deiner Zeit, die eventuell viel kürzer ist als du denkst, umgehst. Jedes Jahr werden wir in der Fastenzeit daran erinnert, über unser Leben nachzudenken. Es wird von uns verlangt, den falschen Weg zu verlassen und zum richtigen Weg zurückzufinden, den Gott uns zeigt, den Gott für uns vorschlägt. Und wenn es darum geht, was richtig und falsch ist, dann ist uns nicht freigestellt, eine Entscheidung zu treffen. Nicht wir entscheiden, was richtig und falsch ist, was gut und schlecht ist, Gott hat es uns gezeigt. Unsere Aufgabe ist es, seine Stimme zu hören. Zeit und Wege um diese Stimme zu hören, die müssen wir selber finden. Wenn wir wollen, ist jede Zeit dafür günstig, wenn nicht, keine Zeit die geeignete! "Bedenke, Mensch, dass du Staub bist und wieder zu Staub zurückkehren wirst".

 Es grüßt Sie

George Chelappurath, Pfarrer

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April 2003

 

Die Worte der Bibel - eine Botschaft für uns

 

Liebe Gemeinde,

"Du bist für mich gestorben" oder "ich habe dich gern" - was bedeuten diese Worte? Viel oder nichts, je nachdem, wer es zu wem sagt, oder von wem wir es gesagt bekommen, oder wo wir es lesen. So z.B., wenn man diese Worte als Nichtbeteiligter hört oder irgendwo in einem Buch liest, bedeuten sie einem kaum etwas. Aber wenn ein Kind so etwas von seinen Eltern hört, dann ist es zerstörend oder aufbauend.

 

So sind die Worte der Bibel und man kann sie nur als eine Erzählung lesen oder als eine Botschaft für uns sehen. "Begreift und versteht ihr immer noch nicht?" (Mk 8,17), waren die Worte Jesu an seine Jünger, als sie seine Rede über den "Sauerteig der Pharisäer" missverstanden haben. Aber wenn wir sie in der Bibel lesen, und uns direkt dadurch angesprochen fühlen, dann machen sie uns nachdenklich und wir versuchen, eine persönliche Antwort zu finden. Oder "Warum habt ihr solche Angst?" (Mt 8,26) - diese Worte, die Jesus beim Beruhigen des Sturmes gesprochen hat, können uns helfen, unsere eigenen Ängste zu überwinden. "Wollt auch ihr weggehen?" (Joh 6,67) - dies könnte auch eine Frage an uns sein, wenn wir die Diskussion Jesu mit seinen Jünger nicht als eine Erzählung lesen, sondern als Beteiligte dabei sind. Die Bibel können wir lesen, als ein Geschichtsbuch, als eine Erzählung oder als Gottes Wort an uns Menschen. Wer in den Worten der Bibel das Wort Gottes entdecken kann, für den ist sie eine frohe Botschaft, Licht und Richtung für sein Leben, die Anregung für die Lebensgestaltung, die Kraft, durch das Leben zu gehen, die Einladung und der Mut ein anderes Leben zu führen, als die Welt es will.

 

In drei Wochen feiern wir Ostern. In der Karwoche und an Ostern werden wir einiges über Jesus hören und wir wollen versuchen, es als an uns gerichtet zu verstehen. So wird uns z.B. am Gründonnerstag gesagt: "Begreift ihr, was ich an euch getan habe? Ihr nennt mich Meister und Herr, und ihr habt Recht; denn ich bin es. Wenn ich, der Meister und Herr, euch die Füße gewaschen habe, müsst auch ihr einander die Füße waschen. Ein Beispiel habe ich euch gegeben, damit auch ihr tut, wie ich euch getan habe" (Joh 13, 12-14). Dies sind Worte Jesu, nachdem er seinen Jüngern die Füße gewaschen hatte. "Begreift ihr?", ist eine Frage an uns und "Damit auch ihr tut", eine Anweisung für uns. Oder bei der Eucharistiefeier: "Das ist mein Leib, der für euch hingegeben wird" und "Das ist der Kelch des neuen und ewigen Bundes, mein Blut, das für euch und alle vergossen wird, zur Vergebung der Sünden" - diese Worte haben eine große Bedeutung für uns, wenn wir mit dem Wort "euch" uns verstehen. Oder das Gebet Jesu am Ölberg: "Vater, nicht mein, sondern dein Wille soll geschehen" (Lk 22, 42), ist eine Kraftquelle für unser Leben, wenn wir diese Worte aus vollem Herzen als eigenes Gebet sagen können. Oder, wenn wir am Karfreitag die Worte Jesu "Es ist vollbracht" in der Passionsgeschichte hören und dabei an das Ende unseres irdischen Lebens denken können und uns dabei fragen werden, mit welcher Einstellung und welchen Gedanken wir uns von dieser Erde verabschieden würden, hat dieser Text eine heilende Wirkung für unser Leben. Am Ostersonntag wird uns verkündet: "Fürchtet euch nicht" - das sind nicht nur Worte, die Jesus seinen Jüngern nach der Auferstehung gesagt hat, sondern eine Botschaft an uns, unser Leben ohne Angst zu gestalten. Denn durch die Auferweckung Jesu von den Toten sagt uns Gott, dass er uns nie alleine lässt, auch im Tod nicht.

 

So geht es in diesen Tagen der Fastenzeit nicht nur darum, einiges über das Leben, Leiden, Tod und Auferstehung Jesu zu hören, sondern als Beteiligte dabei zu sein und für die Fragen und Anregungen eine persönliche Antwort zu finden. Es geht nicht nur um "Wissen", - dazu reicht es, wenn man die Erzählung über Jesus nur einmal hört - sondern um "Nachdenken oder Betrachten", dafür kann man sie nie genug hören.

Viel Freude in einem Leben mit dem Auferstandenen, das wünsche ich uns allen.

Es grüßt Sie

George Chelappurath, Pfarrer

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Mai 2003

 

Ist unsere Religion kompliziert?

Liebe Gemeinde,

"Mutti, bekomme ich wieder Schokolade?"

"Nein"

"Mutti, bitte, bitte"

"Nein, Schluss jetzt"

oder

"Was sagt man, wenn man etwas bekommt?"

"Danke"

"Also, dann sag es"

"Danke"

oder

"Tut mir leid, so etwas werde ich nicht wieder tun"

"Also, in Ordnung, aber versprich, dass so etwas nicht wieder vorkommt"

Kennen wir nicht solche oder ähnliche Gespräche zwischen Kinder und Eltern? Ist es schwer für uns, uns ein ähnliches Gespräch mit Gott vorzustellen: ein "Bitte", ein "Danke", ein "Entschuldigung"? Ist dies nicht das, was wir GEBET nennen? Liegt die Anbetung Gottes nicht darin, dass wir uns über die Nähe Gottes freuen und ihm sagen, dass wir froh sind, dass er für uns und alle Menschen da ist. 

 

Vor ein paar Tagen kam eine Mutter ins Pfarrbüro, um ihr drittes Kind zur Taufe anzumelden. Unter anderem haben wir über die christliche Erziehung der Kinder gesprochen. Die Mutter hatte großes Interesse daran, ihren Kindern von Gott zu erzählen, aber sie sagte mir, dass sie nicht weiß, wo sie anfangen soll. Ist es schwer, den eigenen Kindern von Gott zu erzählen? Braucht man dazu eine bestimmte Methode, spezielle Formalitäten?

 

Wie war es für Jesus? Auch er wollte den Menschen von Gott erzählen. Die Menschen damals aber hatten eine andere Vorstellung von Gott, von einem strengen, alles beobachtenden und strafenden Gott. Aber Jesus wollte von einem liebenden Gott erzählen. Dazu hat er keine theologische Formulierung gesucht, keine philosophischen Gedanken erfunden, er hat einfach das erzählt, was er mit Gott erlebt hat und zwar von Herzen. So erzählte er, dass Gott zu uns wie ein Vater ist. Um das zu verdeutlichen, hat er das Gleichnis vom barmherzigen Vater erzählt, das Gleichnis vom verlorenen Schaf und von den verlorenen Drachmen. Als er über das Gebet sprach, sagte er zu seinen Jünger: "Ist einer unter euch, der seinem Sohn einen Stein geben wird, wenn er um Brot bittet, oder der ihm eine Schlange geben wird, wenn er um einen Fisch bittet? Wenn nun ihr schon, die ihr böse seid, euren Kindern gebt, was gut ist, um wie viel mehr wird euer Vater im Himmel denen, die ihn bitten, Gutes geben" (Mt 7, 9-11).

 

Zeigt uns dieses Beispiel von Jesus nicht, wie auch wir unseren Kindern eine christliche Erziehung geben können? Versuchen sollten wir nicht unbedingt, die richtige Formulierung zu finden, theologische Ausdrücke zu gebrauchen, sondern einfach das zu erzählen, was wir von Gott erfahren haben, wie wir Gottes Fügung erleben konnten, vor allem in unserem eigenen Leben. "Gott hat mir geholfen..." - ist es schwer, einige Beispiele hierfür zu finden?

 

Religion ist nicht so kompliziert, wie einige Theologen es dargestellt haben und immer noch tun; Religion ist das alltägliche Leben, ein alltägliches Leben, das mit einem Gott, der für uns Mensch geworden ist, der uns Menschen nahe gekommen ist, der die Sprache der Menschen versteht, der für die Nöte der Menschen ein Auge hat, der uns ein Leben bei ihm für immer vorbereitet, geführt wird. Wenn wir versuchen, sie zu praktizieren, werden wir sehen, dass sie einfach ist und eine gelebte Religion weiterzugeben, vor allem an die eigenen Kinder, ist keine besondere Kunst. Versuchen wir es aufs Neue, in einer einfachen Weise, dann "klappt es bestimmt".

Es grüßt Sie.

George Chelappurath, Pfarrer

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Juni 2003

 

Die glückliche Minderheit als die traurige Mehrheit

 

Liebe Gemeinde,

wäre es nicht schön, wenn man einen Beruf haben könnte, bei dem man nicht viel arbeiten muss, aber viel verdienen kann, der eine höhere Stellung in der Gesellschaft inne hat, aber für den man kaum eine Ausbildung oder ein Studium benötigt. Tatsache ist: man muss sich anstrengen - egal in welchen Bereichen - wenn man etwas erreichen will. Ein Baum der schnell wächst, der lebt nicht lange; hartes Holz bekommt man nur von Bäumen, die eine längere Wachstumszeit haben. Ein Leben in Zufriedenheit ist auch nicht so einfach zu bekommen, dazu muss man nach bestimmten Regeln hart an sich arbeiten, vielleicht für mehrere Jahre hindurch. Von einer "neuen Kirche" sprechen viele Menschen, aber eine persönliche Lebensänderung, die ist weit weg von der Alltagsdiskussion. Vielleicht man möchte bei diesem "Guru" ein bisschen Meditation lernen, bei jenem Religionsgründer ein bisschen Stimmung für ein anderes Leben bekommen, aber ein systematischer Aufbau für ein neues Leben, das ist für die meisten kein Thema; Spiritualität ist ein Fremdwort, auch für Menschen, die sich einigermaßen für Kirche und Religion interessieren. Weder ein bestimmtes politisches System, noch bestimmte Religionen werden uns eine neue Welt garantieren, sondern nur Menschen, die sich vom Hl. Geist leiten lassen. Was Jesus verlangte, war eine totale Veränderung und keine kosmetische Schminkerei - von "Umkehrung", von "neu geboren werden", von "vom Geist leiten lassen" - davon hat er gesprochen.

 

Wie wir diese geistliche Erneuerung erreichen können, das lehren uns viele Menschen, die sie schon erreicht haben. Nach ihrer Lehre ist der erste Schritt ein sündenfreies Leben - wenn man von der Sünde nicht reden möchte, dann kann man das Ganze vergessen. In diesem "ersten Schritt" versucht man, die Gebote Gottes ohne Wenn und Aber einzuhalten und die "natürlichen Reaktionen" wie Hass, Neid, Eifersucht usw. zu überwinden. In der "zweiten Stufe" versucht man, die Tugenden zu praktizieren. Hier spielt das Gebetsleben eine große Rolle und man versucht, die Lehre und das Beispiel von Jesus im alltäglichen Leben nachzuahmen. Selbstverständlich gehört dazu, dass man auf vieles verzichten muss. Wenn man weiß, dass andere Menschen die gleichen Interessen, Wünsche und Gefühle haben, dann kann man nicht mehr mit den "Ellenbogen-gedanken" weiterleben. Ein Leben nach der Lehre Jesu, nach dem Vorbild Jesu, aber konsequent gelebt, kann uns Freude schenken. Wir benötigen Familien mit christlichen Werten; Kinder und Jugendliche mit geistiger Bildung.

 

Vielleicht sind wir nicht in der Lage, das Weltgeschehen zu beeinflussen, Kriege zu verhindern, Lebenschancen für Milliarden von Menschen zu ermöglichen. Vielleicht schaffen wir es auch nicht, eine Kirche zu haben, so wie sie sich Jesus vorgestellt hat, aber ein Leben für uns, das uns Freude bringt, das können wir bestimmt erreichen. Wenn wir uns nach der Mehrheit der Menschen, die bei uns leben, richten, dann werden wir das bekommen, was auch sie haben, nämlich Unzufriedenheit. Aber wenn wir bereit sind, ein alternatives Leben zu führen, wenn wir bereit sind, zu einer Minderheit zu gehören, dann werden wir Zufriedenheit - zumindest in unserem persönlichen Leben - erreichen. Können wir nicht versuchen, dies zumindest für unsere Familie zu erreichen? Keine Augenwischerei, keine "ab und zu religiös sein" Mentalität, sondern von Grund auf erneuerte Lebenseinstellung und Lebensgestaltung. Es gibt Millionen von Menschen, die dies haben, aber sie sind immer noch in der Minderheit. Aber - lieber zu der glücklichen Minderheit gehören, als zu der traurigen Mehrheit.

Es grüßt Sie

George Chelappurath,  Pfarrer

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Juli 2003

 

Verständnis für unsere Fehler

 

 

Liebe Gemeinde,

ein Kind kommt von der Schule nach Hause, bringt die letzte Arbeit in Mathe mit und darunter steht eine 5! Das Kind ist traurig, die Mutter tröstet es und meint, dass dies nicht so schlimm ist, und das nächste Mal bestimmt wieder besser wird. Ist es nicht schön, dass die Eltern für die Lernschwäche ihrer Kinder Verständnis aufbringen?  Was würden Sie aber sagen, wenn ein Kind verlangt, dass eine schlechte Note als Normalfall akzeptiert wird, dass die Faulheit einfach unterstützt wird?

 

Was meinen Sie? Soll ein Vater seinem minderjährigen Sohn sagen, dass das Rauchen gut ist, weil dieser rauchen möchte? Erwarten könnte man höchstens, dass er für das Rauchen seines Sohnes Verständnis hat, weil alle seine Freunde dies tun, aber soll der Vater eine schlechte Angewohnheit gutheißen?

 

Ein Jugendlicher hat einen Unfall verursacht und wird zu einer harten Strafe verurteilt. Wenn er nun z.B. um Verständnis für seine Situation bittet, ist dies anders, als wenn er die Schuld auf andere schiebt, z.B. auf die Gesetzgeber, mit der Bemerkung: "Das blöde Gesetz hat mich ins Gefängnis gebracht; man sollte das Gesetz abschaffen, anstatt mich im Gefängnis einzusperren."

 

Soll die Kirche die Sonntagspflicht abschaffen, nur weil viele an diesem Tag Sport treiben möchten, anstatt in die Kirche zu gehen? Soll die Kirche nur einen "Bereitschaftsdienst" leisten, damit sie für Leute, wenn sie die Kirche brauchen, da sein kann? Ein Beerdigungsinstitut braucht man nur einmal im Leben, wie oft braucht man die Kirche?

 

Was erwarten wir von Gott? Verständnis für unsere Fehler und Vergebung oder die Abschaffung seiner Gebote? Soll Gott allen alles zulassen, damit man in absoluter Freiheit leben kann? Wer weiß nicht, dass die absolute Freiheit von einigen die Einschränkung der Freiheit der anderen ist; dass Gerechtigkeit nur dann möglich ist, wenn sie alle betrifft?

 

Um Verständnis für Sünde, Schwäche, Fehler und Dummheit zu bitten ist etwas anderes, als wenn man danach verlangt, dies zu legalisieren, oder für normal zu erklären. Unsere Parole sollte nicht lauten: Ich lebe, wie ich will - sondern: Ich werde versuchen, auch wenn ich nicht immer damit Erfolg habe, zu leben, wie Gott will, ich werde mein Leben nach seinem Plan gestalten, dem Plan, den ich durch seine Gebote und Anweisungen erfahren kann.

 

Freiheit werden wir nicht erst dann genießen, wenn es keine Gesetze und Vorschriften mehr gibt, sondern dann, wenn wir uns danach richten. Glücklich werden wir nicht erst dann, wenn alle unsere Wünsche in Erfüllung gegangen sind, wenn wir alles tun und haben können, was wir uns erhoffen, sondern dann, wenn wir unser Leben nach dem Willen Gottes geregelt haben. Oder haben Sie eine andere Erfahrung gemacht?

Es grüßt Sie

George Chelappurath, Pfarrer

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Oktober 2003

 

Wie viel Zeit brauchen wir, um Gott zu erfahren?

           

Liebe Gemeinde,

vor einigen Jahren habe ich meine Mutter zu meiner Schwester sagen hören: "Jetzt verstehst du das nicht! Aber später, wenn du selber Kinder hast, dann wirst du verstehen, was es heißt, auf den Besuch der Kinder zu warten!" Meine Mutter sagte dies, weil die Tochter selber sie nicht so oft besucht, obwohl sie sie gerne öfter gesehen hätte. Als ich meine Schwester das letzte Mal besuchte, gab sie mir zu verstehen, wie sehnsüchtig sie auf den Besuch ihres inzwischen erwachsenen Sohnes, der zur Zeit in einer weit entfernten Stadt studiert, wartet. Wie viel Zeit braucht ein Mensch, die Situation der Eltern zu verstehen, die Sorgen, Ängste und auch Freuden? Ein ganzes Leben! Am Anfang sind die Eltern für die Kinder die Größten, die Wichtigsten. Kommen die Kinder dann ins Teenager-Alter, dann haben sie eher zu meckern als ihre Liebe und Hilfe anzuerkennen, und je älter sie dann werden, umso mehr verstehen sie, was die Eltern alles für sie getan haben und tun werden.

 

Und, wie ist es umgekehrt? Wie viel Zeit brauchen die Eltern, um ihre Kinder zu verstehen? Es ist nicht übertrieben, wenn auch dies ein ganzes Leben fordert. Wie oft muss man seine Erwartungen zurückstecken? Wie oft stellt man fest, dass das, was man sich erhofft hat, nur Träume waren, dass die Pläne, die man mit den Kindern hatte, wie Seifenblasen zerplatzen? Wie oft hat man die Realität mit der Illusion verwechselt? Was ist dann übrig geblieben von den ursprünglichen Träumen und Wünschen? Nach vielen Jahren stellt man fest, dass das wirkliche Leben weit entfernt ist und nichts gemein hat mit den "Familienserien" im Fernsehen oder mit den Schilderungen in Romanen. Ein ganzes Leben - um die eigene Rolle und die der anderen zu verstehen!

 

Wie viel Zeit brauchen wir, um Gott zu erfahren? Am Anfang, da war die Freude groß, wenn die Eltern auf die Stirn des Kindes ein Kreuzzeichen machten, oder mit ihm beteten. In der Grundschule herrschte große Begeisterung, wenn die Religionslehrerin Geschichten aus der Bibel vorlas und von Gott dies und jenes erzählte. Aber mit der Zeit machte sich Skepsis breit - Gott ja, aber?! Stimmt es? Stimmt es nicht? Warum erzählt der eine so und der andere etwas anderes? Frustration, Enttäuschung, Gleichgültigkeit! "Ich hatte Religionsunterricht und habe dort einiges gelernt". Was heißt einiges? Was hat man eigentlich in den vielen Jahren Religionsunterricht gelernt? Dass Gott die Welt in 6 Tagen erschaffen hat? Und wie ist es damit - was man in anderen Schulfächern gelernt hat - dass die Welt in Millionen von Jahren entstand? Die 10 Gebote? Wer nimmt sie wirklich ernst? Sind sie Lebensregeln für unsere Gesellschaft? Was ist mit Jesus? Dass er in einem Stall geboren wurde - welche Rolle spielt dies in unserem alltäglichen Leben? Welche seiner Lehren spricht uns wirklich an? Dass er Gott seinen und unseren Vater genannt hat - können wir daraus Vertrauen zu Gott aufbauen? Bestimmt nicht, nur weil man ein paar Stunden Religionsunterricht hatte; bestimmt nicht durch das Mitfeiern von ein paar Gottesdiensten! Ein ganzes Leben, wirklich ein ganzes Leben brauchen wir, um einiges von Gott zu erfahren. Zu wissen, was die anderen über Gott erfahren haben, ist leicht, aber selber von Gott etwas zu erfahren, das ist ein Prozess, wofür ein ganzes Leben gebraucht wird. Irgendwann später, vielleicht sogar nach Jahren, vielleicht durch bestimmte Lebensumstände, kommt die Erkenntnis: Doch, es stimmt! Es stimmt, dass wir Gott unseren Vater nennen dürfen, es stimmt, dass Jesus uns Friede und Freude für das Leben schenken kann, es stimmt, dass wir unterwegs zu Gott sind. Jeder Mensch wird zu dieser Erkenntnis kommen, und je früher, desto schöner wird das Leben. Oder haben sie eine andere Erfahrung gemacht?

Es grüßt Sie

George Chelappurath,  Pfarrer

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November 2003

 

Schönster Abschnitt des Lebens

 

 

Wem es schwer fällt, im November an die Toten zu denken,

dem wird es auch nicht leicht fallen,

im Dezember Weihnachten als christliches Fest zu feiern;

wer nicht versteht, was am Gründonnerstag geschah,

der wird eine Hl. Messe nie begreifen;

wer den Sinn des Karfreitages nicht findet,

der wird auch Ostern nicht verstehen.

Liebe Gemeinde,

welcher Lebensabschnitt ist der schönste? Die Kinder wollen möglichst schnell erwachsen werden; "übernächstes Jahr werde ich 14", sagte mir ein Mädchen kürzlich. Und wenn man älter ist? Dann will man möglichst jung sein, jung bleiben. Sucht eine Firma für eine verantwortungsvolle Aufgabe einen Mitarbeiter, dann sollte es ein erfahrener, reifer Mensch sein, über 50 Jahre ist ganz in Ordnung,  jemand unter 40 hat kaum eine Chance. Aber, es gibt Arbeitsstellen, wo Menschen über 50 Jahre überhaupt nicht mehr in Frage kommen.

 

Welcher Abschnitt des Lebens ist der schönste? Die Antwort darauf hängt davon ab, was man im Leben wichtig schätzt, welches Ziel man vor Augen hat. Wenn einem die Freiheit das Wichtigste ist, dann ist dies die Zeit, in der man alles unternehmen kann. Wenn das Geldverdienen das  Wichtigste ist, dann ist dies selbstverständlich die Zeit, in der man viel arbeiten kann und wenn möglich mit Überstunden und Nebenjobs.

 

Gibt es Menschen, die das ganze Leben, jeden Abschnitt schön finden? Ja, viele! Dies sind Menschen, die das gesamt Leben als Ganzes betrachten und leben können. Sie sind nicht ungeduldig dabei, älter zu werden; sie genießen die Arbeitszeit und wenn sie in Rente gehen, dann sind sie auch nicht frustriert; die Zeit mit kleinen Kindern finden sie ganz toll, aber wenn die Kinder aus dem Haus gehen, dann widmen sie sich anderen Aufgaben in der Familie oder Gesellschaft; auch die Altersschwäche können sie geduldig ertragen. Eigentlich kommt alles von der Lebenseinstellung, und - welche Lebenseinstellung ist die richtige? Wer hilft uns, die richtige herauszufinden?

 

Stellen wir uns vor: Wir sind unterwegs. Auf der Strecke gibt es eine Umleitung. Wer die gesamte Strecke kennt, der weiß, wann wo was kommt. Dabei helfen uns auch die modernen Kommunikationsmittel: Verkehrsfunk, Navigationssystem usw. Wenn man nicht weiß, wie lange es geht, wann was kommt, dann ist man unruhig und ungeduldig und zwar während der gesamten Strecke. Die Menschen, die das Leben gemeistert haben, geben uns Anweisungen, was wir wann tun sollten. Sie sagen uns, wann wir den gefährlichen Weg verlassen müssen, einen Umweg einschlagen sollen, damit wir ans Ziel kommen, anstatt über dies oder jenes, was man auf der Strecke erlebt, zu schimpfen; sie helfen uns, das Leben als "Ganzes" zu betrachten. Jeder Abschnitt des Lebens kann schön sein, jedes christliche Fest eine Bedeutung haben, alles hängt davon ab, mit welcher Lebenseinstellung wir leben, was wir als Ziel unseres Lebens haben.

 

Die Augen aufmachen, die Umgebung beobachten und die richtige Entscheidung treffen - dazu sind wir aufgefordert. Kennen wir nicht Menschen, die älter sind, vielleicht auch krank, aber trotzdem zufrieden und ruhig? Sie können ohne Beruhigungsmittel leben, Schlaftabletten benötigen sie auch nicht. Als das Geheimnis dieser "glücklichen Situation" nennen sie den Halt, den sie durch die Religion bekommen haben. "Kommt und seht" ist die Einladung, die wir an diesen kommenden Tagen von Allerheiligen und Allerseelen hören werden. Hier werden wir vielen Menschen begegnen, die auch in unseren Familien gelebt haben, die ihr Leben erfolgreich gemeistert haben und glücklich waren und zwar nicht nur in jungen Jahren, sondern in jedem Abschnitt ihres Lebens. Ihr Lebensbeispiel soll uns helfen, die richtige Lebenseinstellung zu finden und jeden Abschnitt des Lebens ernst zu nehmen und zu genießen, nicht nur den Abschnitt, den wir vor dem Tod haben, sondern auch den, den wir danach haben werden.

Es grüßt Sie

George Chelappurath, Pfarrer

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Dezember 2003

 

Wie soll ich Gott nennen, wenn ich "groß" bin?

 

Liebe Gemeinde,

damit hat der Vater nicht gerechnet, mit dieser Frage seines Sohnes. Es gab Situationen, in denen er seine Frage nicht beantworten konnte, entweder war seine Antwort für den Sohn eine große Überforderung, oder er selber wusste die Antwort nicht. Aber dieses Mal? Eher sprachlos, als nachdenklich war er, als er von seinem Sohn hörte: "Papa, wie soll ich dich nennen, wenn ich so groß bin wie du? Soll ich dann immer noch Papa zu dir sagen? Oder darf ich dich bei deinem Namen nennen?" Man könnte über diese Frage schmunzeln, aber könnte es nicht sein, dass es für das Kind eine ernste Frage ist? Was möchte das Kind? Ist es für ihn eine Ehre, seinen Vater dann als Erwachsener noch Vater zu nennen? Und was erwartet der Vater von seinem Kind? Ist er für das Kind nur Vater, solange es klein und zerbrechlich ist?

 

Wie soll ich Gott nennen, wenn ich "groß" bin? "Vater im Himmel"? Ist er auch dann noch mein "Vater"? Muss ich ihn um seine Hilfe bitten, wenn ich gesund bin, wenn ich eine gute Stelle habe, wenn ich viele Freunde habe? Bin ich auch dann von ihm abhängig? Muss ich ihm auch dann dankbar sein, wenn ich durch harte Arbeit viel Geld verdient habe? Muss ich auch dann in die Kirche gehen und einen Gottesdienst mitfeiern, wenn ich durch meine Arbeitsstelle und gute finanzielle Situation eine höhere Position in der Gesellschaft habe? Wer ist Gott für mich, wenn ich "groß" bin? Ist er immer noch mein "Vater"? Die theoretische Antwort könnte weit entfernt sein von der gelebten, praktizierten, im Leben sichtbaren, erfahrbaren, spürbaren Antwort. Welches Gefühl entsteht, wenn wir an Gott denken?

 

Zumindest aus Filmen ist den meisten unter uns bekannt, dass einige Kinder es nicht so gerne haben, dass ihre Eltern dazukommen, wenn Freunde da sind; oder, es gibt einige, die ihre Eltern nicht den Arbeitskollegen vorstellen möchten, denn sie passen nicht in ihre gesellschaftliche Position, sie sind nicht so gebildet, ihr Niveau passt nicht. Wenn man bestimmte Führungskräfte beobachtet, dann scheint es so, als ob Gott nicht zu ihrer Position passt. Sie meinen, Gott ist für die anderen und nicht für Leute wie sie!

 

Diese Adventszeit und das kommende große Fest Weihnachten wird unseren Blick auf einen Gott lenken, der für uns Mensch geworden ist. Darüber sagt der Apostel Paulus: "Er war Gott gleich, hielt aber nicht daran fest, wie Gott zu sein, sondern er entäußerte sich und wurde wie ein Sklave und den Menschen gleich. Sein Leben war das eines Menschen" (Phil 2, 6-7). Wir haben einen Gott, der nicht auf seine Position bedacht ist, sondern sich mit uns Menschen solidarisiert. Er kommt als Mitglied in eine arme Familie; nicht die Regierenden oder Einflussreichen, sondern die einfachen Hirten sind es, die ihn willkommen heißen. Als Erwachsener hat er sich die einfachen Fischer als seine Jünger ausgesucht und zum Schluss ist er am Kreuz gestorben. Schande? Oder, wollen wir diesen Jesus als unseren Freund haben? Zu ihm halten, auch in der Öffentlichkeit? Oder schämen wir uns, dass wir zu Jesus gehören? Sind wir inzwischen so "groß" geworden, dass wir nicht mehr wissen, wie wir uns gegenüber zu unserem Bruder gewordenen Jesus verhalten sollen? In vier Wochen werden wir die Einladung hören: "Kommt, lasset uns anbeten!" Mit der Bereitschaft, Jesus als menschgewordenen Gottessohn anzubeten, mit der Bereitschaft, uns auch in der Öffentlichkeit zu ihm zu bekennen, vor allem durch unser Verhalten, gestalten wir diese Adventszeit und bereiten uns auf das kommende Fest vor.

Eine besinnliche Adventszeit und ein gesegnetes Weihnachtsfest wünscht Ihnen,

George Chelappurath, Ihr Pfarrer

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