Januar
2004
"Glücklichsein"
Liebe Gemeinde,
"Glücklich ist ein Mensch, der
aus den Fehlern anderer lernen darf; klug, der aus den eigenen Fehlern lernt;
dumm ist der, der weder aus den eigenen, noch aus den der anderen lernt"
(Quelle unbekannt). Was haben wir im Jahr 2003 gelernt und von wem? Was
nützt es uns, wenn wir am Ende des Jahres 2004 in einem Kalender mit vielen
erledigten Terminen zurückblättern, und doch traurig und enttäuscht sind? Möchten
wir das? Wir wünschen uns gegenseitig ein "Glückliches neues Jahr".
Ein Glückliches Jahr? Werden wir das haben?
Vor kurzem habe ich mit einem
Bekannten telefoniert. Das Gespräch dauerte ziemlich lange; unter anderem haben
wir über die Kosten des Telefonierens gesprochen. Mein Bekannter sagte dann:
"Wir sollten mit unserem Geld das machen, was uns Freude bereitet. Dazu
ist das Geld eigentlich da und - wir wollen doch alle glücklich sein!" Ja,
über dieses Ziel "Glücklichsein", darüber streitet man nicht. Aber
stimmt es, dass wir immer das tun dürfen, was uns Freude bereitet? Wenn man das
tun könnte, wäre es schön, aber wir wissen alle, dass wir dies nicht immer
erreichen. Es gibt vieles, was wir uns nicht leisten können: so z.B.
könnte ein Urlaub in Übersee einem eine große Freude bereiten, aber man kann
sich vielleicht so etwas nicht leisten. Oder, es könnte sein, dass z.B. die
Erfüllung meiner Wünsche dem anderen Schaden zufügt, oder mir selbst -
vielleicht gesundheitlich - so gibt es Manches, was ich nicht darf, auch
wenn ich es gerne möchte.
Wie ist es aber, wenn man "kann
und darf"? Hier kommt dann die entscheidende Frage: Möchte ich das? Nicht
immer, denn man verzichtet auf vieles, was einem Freude bereitet, um dadurch
etwas anderes zu erreichen, größere Freude für sich selber oder für andere!
So verzichtet ein Jugendlicher vielleicht auf ein längeres Telefongespräch mit
Freunden - obwohl es ihm Spaß machen würde - um mit dem eingesparten Geld
später den Führerschein zu finanzieren; oder - man verzichtet auf einen teueren
Urlaub, mit dem Gedanken, später eventuell ein eigenes Heim zu haben. Oder -
man verzichtet freiwillig und gerne auf einen Luxusartikel, um das Geld für
eine karitative Einrichtung zu spenden - Verzicht auf Bestimmtes, damit man
etwas Größeres, etwas Schöneres haben kann - für sich selber, oder für andere.
Und wer sollte entscheiden, was wir
können, dürfen und wollen - oder nicht? Die Gebote Gottes, die Anweisungen der
Kirche, die Vorschriften des Staates, die Situation in der wir leben, unsere
Fähigkeiten und Grenzen zeigen uns, was wir können und dürfen. Die Lehre Jesu,
vor allem seine Seligpreisungen, weißt uns darauf hin, was wir bekommen werden,
wenn wir nicht alles haben wollen, was wir können und dürfen. Einiges können
wir nicht; anderes dürfen wir nicht, auf wieder anderes wollen wir freiwillig
verzichten, damit wir glücklich leben können und zwar wir alle.
Die Gaben des Heiligen Geistes -
Weisheit, Einsicht, Erkenntnis und Rat - damit wir zwischen "können,
dürfen und wollen" unterscheiden können und den Mut, das zu tun oder zu
lassen, was wir vorhaben - das wünsche ich uns allen für das neue Jahr 2004!
Ein gesegnetes neues Jahr wünscht Ihnen George Chelappurath, Ihr Pfarrer
Februar
2004
Geschwind vorbeischauen – zuwenig?
Liebe Gemeinde,
"Es war ein schönes
Familienfest und so wollten sie es auch, anlässlich der goldenen Hochzeit.
Die Gäste - man kann sie nicht Gäste nennen, denn es waren die vier Kinder, Enkel
und Urenkel - kamen zum Teil schon ein paar Tage vorher. Mit all diesen
Nachkommen wurde es in der Wohnung ziemlich eng, aber aus dem Wohnzimmer wurde
ein Schlafzimmer, das Kinderzimmer wurde zum Gästezimmer, um so Platz zum
Schlafen zu schaffen - schlafen ist vielleicht übertrieben gesagt, denn man
wollte und konnte sowieso nur etwas ausruhen. In erster Linie wollten sich alle
die ganze Zeit über unterhalten, Spaß miteinander haben. Und dafür sind sie
früher gekommen. Einer der Enkel konnte aber nicht dabei sein; er hat eine gute
Arbeitsstelle, er wollte sich nicht unbedingt Urlaub nehmen; und vor allem
seine Freundin, sie wollte nicht die ganze Zeit mit all den anderen verbringen.
Aber - beide waren dabei, rechtzeitig sind sie angekommen - was heißt rechtzeitig?
Ein Gottesdienst mit dem Jubelpaar und den Gästen war vorgesehen, mit
anschließendem Festessen. Zum Gottesdienst zu kommen, das hat den beiden nicht
gereicht, aber zum Essen, da waren sie da. Kaum war dann das Essen vorbei,
schauten sie immer wieder auf die Uhr. "Eigentlich sollten wir schon
lange wieder weg sein, am Abend habe ich noch einen Termin" - war die
Rede des Enkels. Alle hatten Verständnis dafür, dass er ging. Die anderen
feierten weiter, denn sie hatten sich viel zu erzählen, vor allem über und um
das Jubelpaar: was die Kinder alles angestellt haben, wie die Eltern sich
aufgeregt haben, auch welche Dummheiten die Eltern als Jugendliche gemacht
haben und so weiter. Alle machten mit und genossen dieses Fest. Alle? Der
Enkel, der spät kam und früh ging, musste sich fragen: "Lohnte sich der
Aufwand nur für ein Essen?" Seine Freundin war der Meinung:
"Allein mit dem Benzingeld und der Zeit, die wir dort verbracht haben,
könnte man etwas Besseres anfangen". Diese Bemerkung ist verständlich,
denn die beiden haben von dem Familienfest NICHTS mitbekommen, sie haben nur
einen winzigen Teil miterlebt! Schade!
Eine erfundene Geschichte? Denken
kann man, was man will! Aber, als ich dies gehört habe, dachte ich an unsere
Kirchengemeinde. Was hat jemand davon, wenn er nur an Weihnachten und Ostern
kurz beim Gottesdienst vorbeischaut? Natürlich hat er etwas davon, aber -
zuwenig! Denn, Weihnachten ist nicht nur an Heiligabend, sondern dauert viele
Tage; die Weihnachtszeit beginnt am 1. Advent und dauert bis zum Fest
"Taufe des Herrn", am Sonntag nach dem Dreikönigsfest. Es gibt in dieser
Zeit viele Ereignisse, viel zu hören, viel nachzudenken. Mit dem Osterfest ist
es auch nicht anders: es beginnt mit dem Aschermittwoch und dauert bis
Pfingsten - 90 Tage lang. Hier geht es nicht allein um die Auferstehung,
sondern auch um das Leben Jesu, vor allem was er gegen Ende seines Lebens
erlebt und getan hat. Schön ist das Leben in und mit der Kirche, vorausgesetzt
dass man nach dem liturgischen Kalender lebt. Ohne Kirche, ohne Gottesdienst
ist ein religiöses Leben kaum möglich. Wo sonst sollte man die Botschaft Jesu
hören, wenn nicht in der Kirche? Auf der Straße? Ja, da hört man z.B. etwas
über Weihnachten, Ostern und Pfingsten, aber nicht das, was man als Christ
hören sollte, sondern meistens das, was man als Mitglieder der Konsum- und
Spaßgesellschaft hört.
Ein- oder zweimal im Jahr - zuwenig!
Jeden Sonntag -
zuwenig! Jeden Tag - auch wenig! Früher wurde in der Kirche dreimal am Tag
"Angelus" geläutet und dadurch die Leute zum Gebet eingeladen.
Ständig an Gott denken, mit Gott leben - so sollte unser Leben sein, das sollte
für uns alle möglich sein, trotz all unserer Arbeiten und Aufgaben. Das Glaubensleben
ist nicht auf bestimmte Tage beschränkt, auch nicht auf bestimmte Rituale und
Vorschriften. Es geht um das Leben, um das ganze Leben. Wir leben unseren
Glauben, indem wir alles mitmachen, alles miterleben, was unser Glauben
anbietet. Je mehr man mitmacht, desto schöner wird es. Geschwind
vorbeischauen - das ist zuwenig!
Am 25. dieses Monats ist
Aschermittwoch. Wie wollen wir dieses Jahr die Fastenzeit gestalten? Eine
nachdenkliche Zeit wünsche ich Ihnen allen.
George
Chelappurath, Pfarrer
März
2004
Was
denkt Gott über uns?
Liebe Gemeinde,
wenn ich ihn nicht persönlich gekannt
hätte, hätte ich nicht geglaubt, was dieser Mann mir von seinem Angestellten
erzählt hat: Eines Tages kam ein Bekannter zu ihm und bat um Hilfe, weil ein
Freund von ihm arbeitslos war. Er wusste, dass sein Bekannter ein leerstehende
Gebäude besaß und auch genügend Geld zum investieren. Damit dieser arbeitslose
Freund - er war von Beruf Koch - eine Arbeitsstelle bekommt, eröffnete er ein
Lokal und stellte den Arbeitslosen als Geschäftsführer ein. Daraufhin ging er
ins Ausland, wo er selber seine Arbeitsstelle hatte. Er hat sich sehr gefreut,
als er bald darauf hörte, dass die Gäste mit seinem Lokal sehr zufrieden sind:
das Essen ist gut, die Preise sind in Ordnung. Ein volles Haus gab es immer.
Die Mitarbeiter waren glücklich, denn auch sie hatten nichts anderes als nur
Lob für seinen Geschäftsführer. Ein tüchtiger Geschäftsführer, der von allen
Gästen und Mitarbeitern geschätzt und geliebt wird. Was will man mehr? Als
er aber nach 2 Jahren zurückkam, war er sprachlos! Kein Cent Gewinn, keine
Rücklagen, das Bankkonto war leer! Für die Instandsetzung des Hauses, für die
Reparatur der Geräte und für die Anschaffung von fehlendem Geschirr, musste er
in die eigene Tasche greifen. Entweder, er muss das Lokal schließen, oder
weiter investieren. Wie kam es dazu? Den Geschäftsführer interessierte nur sein
guter Ruf und er verkaufte gutes Essen zum Selbstkostenpreis. Aber, was ihm
noch unglaublicher erschien, war das Verhalten der Mitarbeiter: sie waren in
der glücklichen Lage und durften essen und trinken, was und wie viel sie
wollten ohne zu bezahlen, bekamen obendrein aber ihren normalen Lohn. Kein
Wunder, dass der Geschäftsführer bei allen Angestellten beliebt war und bei
allen Gästen einen guten Ruf hatte. Bevor er nachdachte, wie es weitergehen
sollte, kündigte er als erstes dem Geschäftsführer mit der Bemerkung: "Einen
guten Ruf - den solltest du in erster Linie bei mir haben. Du hättest auch
an mein Geld denken müssen. Zumindest hätte ich den Betrag, den ich von der
Bank als Zinsen bekommen würde, erhalten sollen. Aber dieser Verlust, nur
weil du nur an dich gedacht hast? Nur an deinen guten Ruf, beliebt sein bei
allen - auf meine Kosten?"
Beliebt sein bei allen - wer möchte
das nicht? Wie oft erzählt man über das Familienleben: Wenn der andere zu Hause
nur halb so gut wäre, wie nach außen hin, dann wäre ich ganz zufrieden. Aber
was ich erlebe, gleicht einem "Gassenengel und Hausteufel". Für die
meisten Außenstehenden ist er/sie nett, freundlich und hilfsbereit, aber zu
Hause??? Was man alles für die Firma tut, wie man sich für deren Interessen
einsetzt, wie man für den Firmenchef da ist - wenn ein winziger Teil davon für
die Familie wäre, dann wären wir glücklich. Ein guter Ruf nach außen hin ist
nicht falsch, aber ein schlechter zu Hause ist nicht in Ordnung, denn man
sollte bei dem einen nicht übertreiben und dabei den anderen vergessen. Wer ist
uns wichtig? Die Vereinsmitglieder oder die Familienangehörigen? Bei wem
wollen wir gut angesehen sein? Auch bei den eigenen Kindern oder nur bei den
Arbeitskollegen? Nur bei unseren Mitmenschen, oder auch bei unserem Schöpfer?
Einen guten Ruf bei allen Menschen;
von allen Menschen geliebt werden - ist das nicht zuwenig für uns? Auch vor Gott
einen guten Ruf haben, das ist das Entscheidende für uns, denn am Schluss
unseres Lebens zählt nur das! Eines Tages werden wir vor unserem Gott stehen
müssen. Was wird ER dann über uns sagen: "Ich kenne dich nicht oder komm
zu mir, du warst ein fleißiger und treuer Diener"?
Haben wir Zeit - vor allem in dieser
Fastenzeit, über unsere Stellung nachzudenken? Bei wem sind wir angesehen? Was
denken die Familienangehörigen über uns? Was denkt Gott über uns?
Es grüßt Sie
George
Chelappurath, Pfarrer
April
2004
Woher
kommen? Wohin gehen Sie?
Liebe Gemeinde,
zieht man in einen anderen Ort, denn
ist die häufigste Frage, die man gestellt bekommt: "Wo waren Sie
früher?" Im Laufe der kommenden Jahre kann man dann immer wieder die Frage
hören: "Haben Sie sich gut eingelebt?" Eine nächste Frage bekommt man
nicht direkt gestellt, sondern man versucht die Antwort auf die Frage herauszufinden:
Haben Sie sich was gekauft, oder wohnen Sie zur Miete? Somit will man
feststellen, ob der Zugezogene vorhat, für immer zu bleiben oder nur für kurze
Zeit. Und - die letzte Frage hört man erst, wenn man das Haus verkauft oder die
Wohnung gekündigt hat: Wohin gehen Sie?
Woher kommen Sie; fühlen Sie sich
hier wohl; werden Sie hier für immer bleiben und wohin gehen Sie? Stellen wir diese Fragen ab und zu
an uns selber? Und wenn man die Antwort auf diese Fragen tiefgründiger sucht,
über Zeit und Raum, dann kommt man zwangsläufig zu den wichtigen Gedanken
der Religion, eigentlich der aller Religionen: Ursprung unseres Lebens,
unser Wohlfühlen in diesem Leben und das Ziel, wenn es hier nicht mehr
weitergeht. Es gibt Menschen, die eine Antwort auf diese Fragen suchen, ab und
zu ein Leben lang, und diese oder jene Theorie als Antwort finden und
verkünden. Aber, ob ihre Antworten stimmen, das ist eine andere Frage, das kann
kaum jemand beweisen.
Wir Christen aber haben eine richtige
und zweifelsfreie Antwort, denn diese haben wir von unserem Herrn Jesus
Christus bekommen. In wenigen Tagen feiern wir das wichtigste Fest der
Christenheit - Ostern! Dieses Fest sagt uns, wohin unser Leben geht. Jesus
Christus, sein Leben, vor allem sein Tod am Kreuz und seine Auferstehung, sind
der Angelpunkt unseres Denkens und Hoffens und wir schöpfen unsere Hoffnung aus
seiner Verheißung: "Wenn ich hingegangen bin und euch einen Platz bereitet
habe, dann komme ich wieder und werde euch zu mir holen, damit auch ihr dort
seid, wo ich bin" (Jon 14,3). Stellvertretend für seine Freunde hat der
Apostel Thomas Jesus gefragt: "Herr, wir wissen nicht, wohin du gehst,
woher sollen wir den Weg kennen?" Die Antwort Jesu war: "Ich bin der
Weg, die Wahrheit und das Leben" (Jon 14,5-6). Und der Apostel Paulus
schreibt: "Wenn unser irdisches Zelt abgebrochen wird, dann haben wir eine
Wohnung von Gott, ein nicht von Händen errichtetes Haus im Himmel" (2 Kor
5,1). Für uns ist die Auferstehung Christi nicht nur ein historisches Ereignis,
sondern Zentrum unseres Glaubens, Mittelpunkt unserer Zukunft, denn unser
Leben wird mit dem Tod nicht zu Ende sein, wir werden mit Christus für immer
bei unserem Vater im Himmel sein. Dies ist die Antwort auf die Frage:
"Werden wir für immer hier bleiben"! Und wenn die Antwort auf diese
Frage klar ist, dann sind die Antworten auf die anderen Fragen nur logische
Folgerungen. Dann hat die Antwort auf die Frage "woher kommen Sie"
eine tiefere Dimension: "Wir kommen von Gott" und "haben
Sie sich hier eingelebt" bekommt einen tieferen Charakter: "Wir
sind nur Gast auf Erden". Wenn man den Ursprung und das Ziel kennt,
dann ist es leichter, das Wichtige vom
Nebensächlichen zu unterscheiden und das Vorläufige vom Bleibenden. Wer an die
Auferstehung glaubt, der lebt mit Hoffnung und diese Hoffnung gibt unserem
Leben Sinn und Orientierung.
Eine besinnliche Karwoche und ein
gesegnetes Osterfest wünscht Ihnen
George Chelappurath, Pfarrer
Mai
2004
Wem will man was zeigen?
Liebe Gemeinde,
ein Studienkollege hat mich vor
einiger Zeit angerufen und mir von seinem Studium erzählt und dass er nun einen
Doktor-Titel hat. Darüber habe ich mich gefreut. Damals, nach dem Diplom wollte
er weiterstudieren; aber das ging nicht. Nun, nach vielen Jahren hat er aber
die Möglichkeit bekommen, er hat sie wahrgenommen und somit seinen Traum
erfüllt. Aber das, was er mir dann erzählt hat, hat mich nachdenklich gemacht,
denn er sagte: "Jetzt habe ich gezeigt, was ich kann". Wem hat er
was gezeigt? Wer hat daran Interesse?
Viele Menschen tun dies oder jenes in
ihrem Leben, aber nur um den anderen zu beweisen, dass sie etwas können. Braucht man das? Alle Menschen, die
uns kennen, wissen, was wir können und
was wir haben. Man braucht sich nur ein paar Minuten mit jemandem zu
unterhalten und schon erfährt man, was dieser kann. Man kann dabei auch
feststellen, wie intelligent derjenige ist, welche Lebenseinstellung er hat, ob
Lebensfreude vorhanden ist oder nicht. Und die Eigenschaften, die man schätzt,
sind meistens nicht die gleichen, die die anderen zeigen wollen, und vieles,
was wir erreicht haben und besitzen, interessiert die meisten nicht. Oder - Welche Qualifikation ist für uns
wichtig? Die akademischen Grade interessieren meistens nicht, wenn man sich
trifft und nett unterhalten möchte. So etwas könnte für einen Beruf oder für
die Erfüllung bestimmter Aufgaben wichtig sein, auch als allgemeine Bildung
kann es bedeutend sein, aber für das zusammen sein und für das Leben im Alltag,
da sind andere Eigenschaften gefragt. Geschätzt und beliebt sein bei den
Menschen, mit denen wir leben und arbeiten, ist für jeden wichtig! Aber, um
dies zu erreichen, muss man nicht unbedingt etwas zusätzlich tun oder beweisen.
Wie oft begegnen wir Menschen, die
ihr Leben kaputt gemacht haben, weil sie einen großen Teil ihres Lebens für
Ruhm und Anerkennung vergeudet haben. Sie wollten auch das erreichen, was z.B. der Nachbar erreicht
hat. Dummerweise stellt man später fest: eigentlich brauchte ich dies gar
nicht! Und dazu kommt noch: ich habe von anderen nicht das bekommen, was ich
erwartet und erhofft habe. Was diese Menschen zeigen oder zeigen möchten, kommt
meistens bei anderen nicht so an. Viele Menschen, die zeigen wollen, dass sie
viel Geld haben, zeigen aber tatsächlich, dass sie mit dem Geld nicht umgehen
können. Viele, die zeigen wollen, dass sie einiges gelernt haben, zeigen
meistens, dass sie Angeber sind. Viele, die zeigen wollen, dass sie eine
Karriere gemacht haben, zeigen tatsächlich, dass sie ihr Leben für die Karriere
kaputt gemacht haben. Dumm kann man sein, aber muss man immer und überall
zeigen, dass man dumm ist?
Jeder hat andere Begabungen die von
Gott gegeben sind und jeder lebt in einer anderen Situation. Wichtig ist, dass
man versucht, das Maximum zu erreichen, alle Fähigkeiten zu entfalten. Wer
damit aufhört, besser sein zu wollen, weiter nach oben kommen zu wollen, der
beginnt langsam zu sterben. Zielstrebig sollte man sein, aber nicht, um
anderen etwas zu beweisen, sondern um sich selber und den anderen nützlich zu
sein. Bewunderung und Respekt verdient man, indem man das tut, was man tun
sollte und nicht unbedingt dann, wenn man das tut, was man unbedingt erreichen
will.
Wenn wir die Meinungsbildung anderen
überlassen und uns auf das konzentrieren, was wir tun sollten, so hilft uns
dies, in Ruhe und Frieden zu leben. Die eigene Zufriedenheit ist wichtiger, als
das, was die anderen über uns denken. Das bedeutet aber nicht, dass wir die
Meinung anderer ignorieren sollten - es sollte für uns nicht gleichgültig sein,
was die anderen über uns denken, aber es nützt nichts, ihnen hierfür Vorschläge
zu machen, denn sie werden uns schon richtig einschätzen und einordnen. Klug
sollte man sein, so klug, dass man versteht, dass die anderen eventuell klüger
sein können.
Das alltägliche Leben mit den
Menschen, mit denen wir zusammenleben in Freude und Gelassenheit meistern,
diese Kunst wünsche ich uns allen.
Es grüßt Sie
George Chelappurath, Pfarrer
Juni
2004
"Was
wäre ich, wenn Gott alle meine Wünsche erfüllt hätte?
Liebe Gemeinde,
eigentlich wollte ich nur einen
Krankenbesuch machen. Wie üblich, haben wir unser Gespräch über das Wetter angefangen. Dann kam die
heutige Jugend und die politische Situation zur Sprache. Aber, als der
87-jährige von seinem Leben erzählen wollte, habe ich gedacht: Jetzt muss ich
wieder das hören, was ich schon letzte Woche gehört habe, was ich mindestens
fünfmal in den letzten Jahren von ihm gehört habe. Aber - dieses Mal hat er
etwas erzählt, das mir nicht aus dem Kopf ging. Er sagte: "Was wäre
ich, wenn Gott alle meine Wünsche - um die ich immer wieder gebeten habe -
erfüllt hätte? Vor einigen Wochen habe ich Gott um etwas gebeten.
Eigentlich hätte er mir diesen Wunsch erfüllen können. Dazu bräuchte er keine
Wunder zu wirken, denn es ging um etwas Einfaches. Auch hätte kein anderer
einen Schaden bekommen, über die Erfüllung hätte ich mich ganz einfach
gefreut. Weder ein JA, noch ein NEIN habe ich von Gott bekommen - ich warte
immer noch auf die Antwort und - ich weiß nicht, wie lange ich noch warten
muss! Eine Ablehnung von Seiten Gottes würde mich nicht enttäuschen, denn es
geht um nichts lebenswichtiges, aber... Weil ich so lange warten muss, habe ich
viel über das Gebet nachgedacht. Dabei ist mir aufgefallen: Was wäre ich, wenn
Gott alle meine Wünsche erfüllt hätte. Wäre ich nicht schon lange von der
Bildfläche verschwunden? Ich blicke zurück in meine Kindheit: Was wollte ich
alles? Welches waren meine Träume und Wünsche, die ich Gott vorgetragen habe?
Hätte ich nur einen winzigen Teil davon erfüllt bekommen, dann wäre ich jetzt
nicht glücklich. Wenn die vielen Pläne und Vorhaben in Erfüllung gegangen
wären - worum ich immer bei Gott um Hilfe gebeten habe - dann hätte ich kaum
etwas von einem glücklichen Leben erfahren. Jedes Mal, wenn Gott meine
Bitten nicht erhört hatte, war ich natürlich traurig. Aber im Nachhinein kann
ich sagen: Ich kann mich an keinen Fall erinnern, dessen Nichterfüllung für
mich nachteilig war, kein einziges Beispiel fällt mir dazu ein. Denke ich
darüber nach, dann merke ich, dass dies alles nicht so wichtig war. Und was
mich noch nachdenklicher macht, ist der Gedanke: Der größte Teil meines Lebens
wurde nicht von mir geplant. Vieles, was in meinem Leben wichtig war, wurde
mir geschenkt; Gott hat für mich alles geplant; nie habe ich etwas dafür
getan. Das bedeutet aber nicht, dass ich
nur schöne Zeiten erlebt habe. Auch ganz schlimme Zeiten habe ich erlebt,
mehrmals bis zur Grenze meiner Belastbarkeit. Aber, auch das Schlimmste, das
ich in meinem Leben erlebt habe, möchte ich nicht missen, denn es hat mich
etwas vom tatsächlichen Leben erfahren lassen. Ich konnte Menschen kennen
lernen, ihre Stärken und Schwächen. Die schlimmste Zeit hat mir geholfen, das
Gebetsleben wieder zu entdecken. Gott hat mir nicht alles gegeben, worum ich
ihn bat und - das war recht so, das weiß ich jetzt. Er hat mir vieles gegeben,
worum ich nicht gebeten habe. Dieser Gedanke macht mich jetzt glücklich."
Als ich zurück nach Hause ging,
fragte ich mich: "Habe auch ich so ein Vertrauen in Gott?" - und
diese Frage möchte ich an Sie weitergeben. Können auch Sie diese Gedanken
nachvollziehen, nämlich: Es war gut, dass nicht alle meine Wünsche und Pläne
in Erfüllung gingen; den größten Teil von dem, was ich habe und bin, war nicht
von mir geplant, sondern wurde mir von Gott geschenkt und es war nichts dabei,
was mir hätte Schaden zugefügt.
Am 10. dieses Monats feiern wir das
Fronleichnamsfest. Wir werden nochmals von einem Gott hören, der mit uns auf
unseren Straßen geht, aber nicht nur von einem Gott in Gestalt des Brotes in
der Monstranz, sondern von einem Gott, der in unserem alltäglichen Leben wirkt.
Den Gott, der in unserem Alltag gegenwärtig ist. diesen Gott wollen wir finden
und erkennen und anbeten, einen Gott, der für uns alles getan hat. Einen tiefen
Glauben an einen "Gott mit uns" - das wünsche ich uns allen.
Es grüßt Sie
George Chelappurath, Pfarrer
Juli
2004
„Beliebt
sein“
Liebe Gemeinde,
kürzlich habe ich einige Kinder im
Religionsunterricht gefragt: "Freuen sich eure Eltern, wenn ihr nach Hause
kommt?" Selbstverständlich war die Antwort: "Ja!" Auf die Frage,
ob die Lehrer sich freuen, wenn sie in die Schule kommen, haben sie auch mit
einem JA geantwortet. Auf die Frage, ob ihre Mitschülerinnen und Mitschüler
sich freuen, wenn sie kommen, haben sie auch mit einem JA geantwortet. Aber,
als ich weiterfragte, ob dies bei allen Kindern so ist, haben sie angefangen,
die Namen von einigen Kindern zu nennen, deren Anwesenheit für die Klasse und
für den Unterricht störend ist. Nachdem ich ihnen gesagt hatte, dass sie keinen
Namen nennen dürfen, haben sie über dieses Thema offen gesprochen und zu meinem
Erstaunen einiges erzählt, nämlich - dass sie Kinder kennen, die nicht gerne
nach Hause gehen, dass die Lehrer immer mit bestimmten Kindern Ärger haben,
dass die Nachbarn froh wären, wenn bestimmte Kinder nicht in der Nachbarschaft
wohnen würden. Schon im Alter von 9 Jahren ist es für diese Kinder
selbstverständlich, dass man eine Verhaltensweise entwickeln sollte, damit die
Eltern sich freuen können, wenn die Kinder nach Hause kommen, die Lehrer, wenn
sie in die Schule kommen, und die Nachbarn, wenn sie zu Hause sind.
Ich hatte die Möglichkeit, über
dieses Thema mit einigen so genannten "schwer erziehbaren"
Jugendlichen zu sprechen. Ihre Reaktion war: "Mir ist es egal, was die anderen
denken, das interessiert mich nicht. Ich tue, was mir Spaß macht!" Das
älteste Mädchen von ihnen fragte mich: "Warum fragen Sie uns nicht, ob wir
uns freuen, wenn wir nach Hause gehen? Eigentlich will ich gar nicht nach
Hause! Meine Eltern streiten immer wieder miteinander und sie verprügeln mich,
aber meistens nicht, um mich zu bestrafen, sondern um ihre Aggressionen
loszuwerden." Hier merkt man wieder: Alles hat zwei Seiten!
In wenigen Tagen werden die Kinder
und Jugendlichen mit Zeugnissen nach Hause kommen. Wie oft hört man von
Selbstmorden nach dem Erhalten der Zeugnisse in allen Altersstufen und in allen
Ländern. Ist der Grund dafür, dass sie nicht das erreicht haben, was sie
sollten, oder, dass sie nicht das erreicht haben, was die Eltern sich gewünscht
haben? Die Eltern sollten sich freuen, wenn die Kinder nach Hause kommen,
aber, die Kinder sollten auch die Möglichkeit haben, nach Hause zu kommen, egal
was passiert ist.
Bei einem Fehler zu hören: "Es
ist nicht so schlimm" ist schöner, als bei Erfolg "Schön hast
du das gemacht" zu hören. Ein Psychiater hat mir einmal erzählt:
"Ich habe kaum von einem Selbstmord gehört von jemandem, der von
irgendjemanden geliebt wurde!"
Wir wissen, wir können es nicht allen recht machen. Beliebt
sein ist schön, aber das erreicht man nicht, indem man immer und allen einen
Gefallen tut. Ein Firmenchef, der versucht, bei allen beliebt zu sein, macht
seine Firma evtl. kaputt. Der Nachbar wird sich bestimmt nicht freuen, wenn man
ein Haus baut, das seinen freien Blick hindert, aber, leben und wohnen, das
müssen alle. Wenn man versucht, es allen recht zu machen, immer und allen eine
Freude zu bereiten, indem man zu allem und zu allen immer JA sagt, das kann
einen auf die Dauer verrückt machen. Eine Balance zu finden zwischen der
Erfüllung der gestellten Aufgaben und Verpflichtungen und Respekt haben, vor
den Wünschen und Rechten der anderen, das ist eine Kunst, die man schwer
erlernt; noch schwerer ist es aber, sie zu praktizieren. Nicht mehr erwarten
als das, was der andere geben kann und versuchen, das zu erreichen, was man
kann - schaffen wir dies?
Schöne Zeiten in den kommenden
Ferientagen, schöne Zeiten an den Urlaubsorten, aber auch schöne Zeiten im
alltäglichen Leben zu Hause - das wünsche ich uns allen.
Es grüßt Sie
George Chelappurath, Pfarrer
Oktober
2004
Danke
Liebe Gemeinde,
letzte Woche hatte ich ein
Taufgespräch. Der Vater des Kindes hält nicht viel von Gott und der Kirche.
Unter anderem kam auch das Thema "Terroranschläge" zur Sprache.
"Wie kann Gott so etwas zulassen" - war seine Bemerkung. Auf
meine Frage, wie er zu einem gesunden Kind gekommen ist, war er sprachlos und
vielleicht auch nachdenklich, doch dann bekannte er, dass sein Freund von
einigen Wochen ein behindertes Kind bekommen hat. Was ist selbstverständlich?
Was sind unsere Leistungen? Was wurde uns alles von Gott geschenkt?
Am 3. Oktober feiern wir das
Erntedankfest. Ein Erntedankfest mit Kindern vorzubereiten, die sagen können:
"Gott hat mir Augen gegeben, damit ich sehen kann; Ohren, um zu
hören usw." ist leichter, als mit Kindern, die von den Gaben Gottes in der
Familie noch nie etwas gehört haben. Wenn ich die Kinder frage: "Wofür
wollen wir Gott danken"?, dann können einige Kinder nur sagen: "Für
die Blumen, für die Tiere, für die schöne Natur!" Die Kinder sprechen von
Natur, Tieren und Umwelt. Wenn ich weiter
frage: "Wofür noch?" wissen die meisten keine Antwort (mehr). Wenn
ich frage: "Was hast du von Gott bekommen" bekomme ich ab und zu die
Antwort: "Nichts, ich habe nichts bekommen!" Ist es nicht ein Zeichen
dafür, dass die Eltern mit ihren Kindern über Gott und seine Gaben, die wir
persönlich von ihm empfangen, kaum sprechen. So sehen die Kinder nur die
Tiere und die Umwelt und sie sind nicht in der Lage, irgendetwas Persönliches
in Verbindung mit Gott zu bringen.
Solange wir Menschen alles als selbstverständlich
hinnehmen, können wir Gott nicht danken; wenn alles die Folge meiner
Leistung ist, warum soll ich Gott danken. "Geht es uns gut, dann nur,
weil wir gut gearbeitet haben" - wenn man so denkt, kommt ein Dankgebet
nicht in Frage. Aber wir sollten auch bedenken: Viele Menschen haben auch
früher viel gearbeitet und sind aber nicht mehr in der Lage, die Früchte ihrer
Arbeit zu genießen. Viele leben auch nicht mehr. Wer die gute Rente, nur als
Ertrag der vielen, harten Arbeit sieht, der kann Gott kaum danken. Aber wenn
man denkt: Gott hat mir damals geholfen, eine gute Arbeitsstelle zu
bekommen, er hat mir die Möglichkeit gegeben, eine gute Ausbildung zu machen
oder dass er mir beistand, durchzuhalten, dann kann ich selbstverständlich Gott
Danke sagen. Unser Dank gilt nicht nur einigen Trauben oder anderen Obstsorten,
sondern für alles, was wir von Gott bekommen haben.
Die Zeit, die ich habe, die Zeit, die
Gott mir schenkt, ist nicht nur dazu da, dass ich die Früchte meiner Arbeit
genießen kann, sondern auch, um Gott zu danken, für die Familie, für die vielen
Bekannten, für die Gesundheit und für die Freiheit und Zufriedenheit.
Die Geschichte von den 10
Aussätzigen, die Jesus geheilt hat, kennen wir. Nur einer ist zurückgekommen,
um Jesus zu danken. Ist es nicht angebracht, uns als Vorbereitung auf das
Erntedankfest die Frage zu stellen: "Wem sind wir ähnlich?" Ähneln
wir dem einen, der zurückkam, um Jesus zu danken, der sich dafür Zeit genommen
hat, oder sind wir wie die anderen neun, die keine Zeit mehr hatten, weil sie
viel nachholen wollten, was sie in der Zeit der Krankheit versäumt hatten? Die
Zeit, die Gott uns schenkt, sollte auch eine Zeit des Dankens sein.
Es grüßt Sie
George
Chelappurath, Pfarrer
November
2004
"Unterwegssein"
Liebe Gemeinde,
einer ist unterwegs zu einem
Urlaubsort; er träumt von der wunderschönen Landschaft, die er dort
besichtigen wird, von vielen netten Menschen, denen er dort begegnen kann, von zahlreichen
Unterhaltungsprogrammen, die er dort mitmachen will - diese Reise hatte er sich
schon lange ersehnt. Nun ist er endlich unterwegs und erlebt, dass auch der
Weg dorthin wunderschön ist. Jeder Kilometer dieser Strecke ist
eindrucksvoll; auch hier wunderschöne Landschaften, Berge und Täler, Bäume und
Tiere, Bäche und Wiesen. Auch netten und gastfreundlichen Menschen begegnet er
unterwegs. Er freut sich, er genießt die Reise. Darf er dies, oder darf
er nur das genießen, was am Urlaubsort angeboten wird? Alles unterwegs beiseite
lassen, nur an das Ziel denken und erst am Zielort das Schöne genießen? Es ist
mehr als verrückt, wenn man so denkt, dass man nur das Ziel vor Augen haben
sollte und den Weg bis dahin, ignoriert. Ist es nicht auch ähnlich, wenn man
von den Gläubigen erwartet, dass sie immer nur den Himmel im Kopf haben, nur an
das Leben nach dem Tod denken und alles andere, was sie im alltäglichen Leben
als schön erleben, ignorieren? Unterwegssein gehört auch zum Ziel; das Ziel
ist nicht zu trennen vom Weg, beides ist wichtig, ohne das eine gibt es das
andere nicht. Oder wer denkt, dass bei einem Fest nur Essen und Unterhaltung
wichtig sind? Auch die Vorbereitungen, die Mühen, die Aufregungen, die Sorgen,
die viele Arbeit vorher - dies alles gehört zum Fest, dies alles trägt zur
Freude des Festes bei.
Die Feste Allerheiligen und
Allerseelen, welche wir in den nächsten Tagen feiern werden, sollten die Freude
am Leben nicht trüben. Sie bringen uns in Erinnerung, dass auch wir auf dem Weg
sind. Wer nur den Weg sieht, wer nichts anderes als den Weg wahrnimmt, für
den ist alles vorbei, wenn der Weg zu Ende ist. Wer nur den Weg zum
Urlaubsort sieht, der wird traurig sein, wenn der Weg am Urlaubsort endet, wenn
er nicht mehr unterwegs sein kann. Aber wer auch das Ziel im Sinn hat, der wird
nicht nur nicht traurig, wenn die Reise zu Ende geht, gleichgültig wie schön
und erlebnisreich die Tage auf der Strecke waren, sondern er wird sich freuen,
weil etwas noch Schöneres auf ihn wartet. Schön ist das Leben, aber nur wenn
wir die Zeit, die wir hier auf der Erde haben, als Weg betrachten und das Leben
bei Gott als Ziel unseres Lebens im Auge behalten. Genießen dürfen und sollten
wir das Leben, so wie wir es auf dieser Erde vorfinden, mit allem, was es uns zu
bieten hat, denn auch das Unterwegssein ist ein Geschenk Gottes. Die Heiligen,
denen wir am 1. November gedenken, haben es geschafft, das irdische Leben ernst
zu nehmen, jeden Augenblick des alltäglichen Lebens wahrzunehmen und Gott und
den Nächsten zu dienen, denn, für sie war das Unterwegssein wichtig, aber auch
das Leben nach dem Tod. Sie zeigen uns, wie wir beides in Einklang bringen
können, wie wir beides ernst nehmen können, wie wir das Irdische genießen
können, ohne das Zukünftige aus den Augen zu verlieren. Sie bringen uns in
Erinnerung, dass wir nie die Mitte unseres Lebens überschreiten werden, dass
bei uns nie die Vergangenheit länger sein wird, als die Zukunft, denn, was vor
uns steht, ist die Ewigkeit. Je länger wir auf dieser Erde leben, desto näher
kommen wir an das Ziel - und nicht so, wie viele denken: je länger wir hier
leben, desto weniger haben wir noch zu leben. Für uns gibt es keine
"zweite Hälfte"!
Der Tod und das Denken an die Toten
in diesen Tagen sollte die Freude am irdischen Leben nicht mindern, sondern uns
nur daran erinnern, dass wir noch mehr haben werden als nur
"Unterwegssein". Immer mit Hoffnung leben, nie "die Hälfte der
Zeit" überschreiten, nie denken, dass es nun langsam zu Ende geht - ist
das nicht das Geheimnis eines ruhigen und gelassenen Lebens?
Es grüßt Sie
George Chelappurath, Pfarrer
Dezember
2004
Angst
vor Gott!
Liebe Gemeinde,
muss man erst krank werden, um sich
der erfreulichen Situation des Gesundseins bewusst zu werden? Muss man arm
sein, um die Vorzüge des Reichtums zu verstehen? Muss man den Gott der Heiden
kennen lernen, um den Inhalt der frohen Botschaft von Jesus zu verstehen?
Es war vor einiger Zeit. Ich musste
einige Mitarbeiter besuchen - es ging eher um Verwaltungsangelegenheiten als
um Seelsorge. Was kann man alles erleben, was kann man alles hören, wenn man
Menschen näher kennen lernt? Damit habe ich nicht gerechnet, dass ich innerhalb
kurzer Zeit drei Familien kennen lernen würde, die ein- und dasselbe Problem
hatten: alle drei litten unter der Angst vor Gott! Bei der einen Familie ist
ein Kind gestorben; die andere Familie hatte keine Kinder und in der dritten
Familie wollte der Sohn mit Anfang zwanzig nicht heiraten und Kinder bekommen.
Alle diese Menschen leben in Angst. Als ich die erste Familie besuchte, bei
denen ein Kind gestorben war, habe ich miterlebt, dass sie eine Fastenwoche
eingelegt hatten, damit Gott sie nicht noch weiter straft. Sie hatten gehört,
dass der Tod ihres Kindes eine Strafe Gottes für ihre Sünden war und wenn sie
nicht Buße tun, dann würde auch ihr zweites Kind sterben. Sie leben in Angst -
in der Angst vor Gott! Die zweite Familie, welche keine Kinder hatte, erzählte
mir, dass in der Bibel geschrieben steht, dass Kinderlosigkeit eine Strafe
Gottes ist. Sie wußten nicht, was sie falsch gemacht haben, aber sie leben mit
dem Gedanken, vor Gott gesündigt zu haben und unter der Strafe Gottes zu
stehen. Der junge Mann aus der dritten Familie, der nicht heiraten wollte -
dass die Angst vor Gott so schrecklich sein kann, das habe ich erst bei ihm
wahrgenommen. Auf meine Frage, warum er keine Kinder haben will, antwortete
er, dass er nicht will, dass Gott auch seine Kinder straft. Dies war keine
"faule" Ausrede, sondern eine auf Angst resultierende Lebenseinstellung:
Seine Ur-urgroßmutter hatte eine große Sünde begangen, eine schreckliche: sie
hat jemanden umgebracht. Diese Tat haben sie als Ursache für die immer
wiederkehrenden Schicksalsschläge in ihrer Familie betrachtet und verstärkt
wurde diese Einstellung, nachdem sie von einem Geistlichen erfahren haben, dass
Gott eine solche Sünde über 7 Generationen bestraft. Der junge Mann will
nicht, dass auch seine Kinder zu leiden haben, darum will er keine. Daher sein
Entschluss: er will nicht heiraten und Kinder bekommen. Als er mir dies
erzählte, konnte ich merken, wie schwer er unter diesem Gedanken litt, wie
schwer es für ihn war, einmal zu lachen, wie hoffnungslos sein Leben überhaupt
war, trotz guter Ausbildung und gut bezahltem Job.
Dass es Menschen gibt, vor allem in
anderen Religionen, die in Angst vor Gott leben, das ist allen bekannt. Aber, dass
es Christen gibt, die in Angst vor Gott leben und dass diese Angst ihr Leben
zerstört, das darf nicht wahr sein. Dass Gott einen Sünder bestraft, ist
auch die Lehre Jesu. Aber, dass Gott Rache ausübt, das ist weit entfernt von
seiner Lehre. Wer den Gott, der in Jesus Christus zu uns gekommen ist, nicht
kennt, wer seine Botschaft über Gott als unseren Vater nicht wahrnimmt, dem
fällt es schwer, angstfrei zu leben. Die Botschaft unserer Religion ist
nicht Strafe sondern Rettung. Der Evangelist Johannes schreibt: "Gott
hat die Welt so sehr geliebt, dass er seinen einzigen Sohn hingab, damit
jeder, der an ihn glaubt, nicht zugrunde geht, sondern das ewige Leben
hat" (Joh 3,16).
Die Adventszeit, in der wir uns
befinden, sollte nicht nur dazu da sein, uns äußerlich auf das kommende Fest
Weihnachten vorzubereiten, sondern sie soll uns helfen, dem menschgewordenen
Gottessohn näher zu kommen. Wir haben einen Gott der uns liebt, der für uns
alles tut, damit wir glücklich leben können, auch auf dieser Erde.
Schicksalsschläge, Leiden aller Art - das gehört zu unserem
"Menschsein"; Jesus hat dies alles mit uns miterlebt, dazu kam er
auf diese Erde. Er kam als ein Kind, das Kind von Bethlehem. Dort fangen wir
an, uns unseren Gott vorzustellen. Nicht der Mächtige, der alles
kontrolliert, alles beobachtet und bestraft, sondern der liebende Vater, der
für uns immer da sein wird.
Eine besinnliche Adventszeit wünsche
ich uns allen.
George Chelappurath, Pfarrer