INVESTITURGOTTESDIENST LEINGARTEN
(30.08.1986)
Heute
stehe ich zum ersten Mal vor Ihnen als Pfarrer der St. Pankratius/St.
Lioba-Gemeinde hier in Leingarten, um
das Wort Gottes zu verkünden. Wenn wir zum ersten Mal hier in dieser Kirche
zusammen sind, haben Sie und ich viele Fragen. Alle diese Fragen kann man
zusammenfassen in der einen Frage: Wie geht es weiter? Werden die Erwartungen
der Gemeinde in der nächsten Zeit erfüllt?
Bevor
wir uns fragen, wie geht es weiter, sollten wir uns besinnen: Wie SOLL es weiter
gehen? Wenn wir, Sie, liebe Schwestern und Brüder, und ich uns einig sind, in
der Frage, wie es weiter gehen soll, haben wir den ersten Schritt getan.
In
der Lesung aus der Apostelgeschichte haben wir erfahren, wie die erste
christliche Gemeinde von Jerusalem beschrieben wurde: "Die Gemeinde der
Gläubigen war ein Herz und eine Seele." Apg 4,32.
In
der Bibel gibt es keine andere Stelle, an der eine christliche Gemeinde so
ideal beschrieben ist. Im heutigen Evangelium betet Jesus für seine Jünger und
für alle, die an Jesus glauben werden: Da ist deutlich, was Jesus von seiner
Nachfolgern will: "Alle sollen eins sein, wie Du, Vater in mir bist und
ich in Dir bin, sollen auch sie eins sein, damit die Welt glaubt, dass Du mich
gesandt hast." (Joh 17,21). Jesus meinte auch uns, als er betete, dass sie
eins sein sollen: "Heiliger Vater, ich bitte nicht nur für diese hier,
sondern auch für alle, die durch ihr Wort an mich glauben" (Joh 17, 21).
In der ganzen Bibel sehen wir das Leben des Volkes Gottes als ein Leben in
Gemeinschaft. Auch wir sind das Volk Gottes, das neue Israel. Die
Kirchengemeinde am Ort ist die sichtbare Kirche, das sichtbare Gottesvolk.
Also, es ist uns klar, was Jesus von uns will als einer christlichen Gemeinde:
Ein Leben miteinander. Ein Leben, in dem Gott und andere Menschen ihren Platz
haben. Das ist auch unser Ziel.
Dieses
zu sagen ist leicht, aber zu verwirklichen ist schwer. So ist Ihre und meine
Erfahrung. Wenn wir unsere Augen öffnen, sehen wir nur Unterschiede. Die
Menschen, die eine Gemeinschaft bilden sollten, sind sehr verschieden. Sie sind
verschiedener Herkunft und besitzen unterschiedliche Talente. Auch die
Leistungsfähigkeiten sind nicht gleich. Die Größe, die Farbe sind ebenfalls
unterschiedlich. Die Mentalität, die Weltanschauung, die Ausbildung, die
Tätigkeit, der Familienstand, die Berufung - alles ist verschieden. Wenn man
nur die Unterschiede sieht, wird man versucht, eine echte Gemeinschaft für
unmöglich zu halten. Aber die Unterschiede, die wir sehen, und die die meisten
als wesentlich betrachten, sind oberflächlich; Es gibt etwas Wesentliches, das
uns zusammenbringen kann - das ist unser Glaube. Der Glaube an Gott, dass er
unser Vater ist, und unser Bekenntnis zu Jesus, unserem Erlöser und Retter, das
bringt uns zusammen. Dass wir alle Gott angehören, dass wir alle seine Kinder
sind, dass wir alle einmal bei ihm zusammen sein sollen, das bringt uns
zusammen. Dieser Glaube ist das Fundament unseres Gemeindelebens. Dieser Glaube
macht es möglich, eine Gemeinschaft, wie Jesus sie wollte, zu werden.
"Alle sollen eins sein." Dieser Glaube hilft uns, das Vorbild der
Urgemeinde, die "ein Herz und eine Seele war", auch in unserer Zeit
und in unserer Gemeinde zu verwirklichen.
Am
heutigen Tag, an dem ich als Ihr Pfarrer beginne, möchte ich nicht wiederholen,
was die Bibel, die Kirchenväter oder die Pastoraltheologen über eine Gemeinde
sagen. Was wir anstreben, ist nicht eine Traumgemeinde, die viele Pläne und
Ideen hat, die man nie verwirklichen kann, sondern wir wollen überlegen, was
für uns praktisch in Frage kommt. Unsere Gemeinde muss ständig wachsen, nicht
nur zahlenmäßig, sondern vor allem an Qualität. Man hört heute oft das Wort:
"Lebendige Gemeinde". Dass die Gemeinde sichtbar wird, sollte nicht
nur in den äußerlichen Veranstaltungen zum Ausdruck kommen, sondern in dem, was
wesentlich ist, nämlich in unserem Glaubensleben. Unser versuch ist vor allem,
unseren Glauben in allen seinen Formen zu pflegen und weiterzugeben an die
kommende Generation.
Am
heutigen Tag habe ich für unsere Gemeinde zwei Wünsche:
1.
Unsere Gemeinde muss sichtbar werden. Das geschieht, wenn wir immer wieder
zusammen kommen: Z.B. zu Gespräch und Unterhaltung, aber vor allem, wenn wir
uns zum Gottesdienst, also zum Beten, versammeln. Eine Gemeinde, die nicht
zusammen betet, ist keine christliche Gemeinde. Wir sind eine
Gottesdienstgemeinde, und die Kirche ist und bleibt ganz anders als alle
anderen Vereine und Gruppen. In der Apostelgeschichte lesen wir von der
Urgemeinde: "Tag für Tag verharrten sie einmütig im Tempel, brachen in
ihren Häusern das Brot und hielten miteinander Mahl in Freude und Einfalt des
Herzens. Sie lobten Gott." Vieles ist nicht machbar. Auch wenn wir 24
Stunden arbeiten würden, immer noch bleibt etwas liegen, Aber das Wachsen des
Glaubens, ich meine die Liebe zu Christus, das Miteinander des Verstehens und
der gegenseitigen Hilfe, das ist nicht von uns aus allein machbar und planbar
wie ein Gemeindefest oder eine Aktion zum Sonntag der Weltmission. Das ist
Geschenk, das ist Führung Gottes, Führung des Heiligen Geistes, worum wir immer
wieder beten müssen. Wir wollen in unserer Gemeinde Gott zum Mittelpunkt
erheben.
2.
Zum zweiten wünsche ich, dass wir miteinander dieses Ziel erreichen. Dazu
gehört gegenseitiges Verständnis. Darunter verstehe ich, dass man sieht, was
jeder einzelne braucht, welche Fähigkeiten jeder hat, dass man erkennt, was man
für andere tun kann und muss oder was man von ihnen verlangen kann. Das heißt,
einerseits in jeder Weise hilfsbereit sein, andererseits von anderen nichts
verlangen, wozu sie nicht fähig sind. Wenn jemand fragen würde, wer für unsere
Gemeinde verantwortlich ist, möchte ich antworten: Das sind wir alle, jeder
einzelne. Es ist klar, dass für Gottesdienst, Verwaltung, Büro usw. jemand amtlich
verpflichtet ist. Aber für unser gemeinsames gutes Zusammenleben sind wir alle
verantwortlich. Jeder frage sich: Was kann ich für unsere Gemeinde tun, aber
nicht, was sollen andere für mich tun? Wir haben ein gemeinsames Ziel vor uns:
Unsere Gemeinde soll lebendig werden, sie muss sichtbar sein. Der Glaube, unser
Leben um und mit Gott soll wachsen. Das ist nicht einfach, aber mit der Hilfe
Gottes können wir unser Ziel erreichen. Darum wollen wir heute und auch jeden
Tag Gott bitten, er möge uns allen die Gnade geben, dass unsere Gemeinde immer
mehr, immer sichtbarer und spürbarer eine christliche Gemeinde nach der
Botschaft Jesu werde. Ich bitte sie alle sehr herzlich, dazu mitzuhelfen.
Immer
wieder muss ich die gleiche Frage beantworten, nämlich die, solche meine
Verwandten und Bekannten in Indien und in meiner früherer Gemeinde in
Kirchentellinsfurt stellen, nämlich wie es mir hier in Leingarten geht. Ich bin
froh, wenn ich ehrlich antworten kann: "Mir geht es gut, weil es hier in
Leingarten schön ist, weil meine Gemeinde in mir zuerst den Priester sieht und
nicht nur bloß den Gemeindeleiter und Organisator, weil die Gemeinde das
Wesentliche ernst nimmt und sich zu Christus führen lässt und weil hier alle
wie Schwestern und Brüder leben, die Gott ihren gemeinsamen Vater nennen."